Heimkehr zu den Dakota
trug die Kette aus Krallen und Zähnen des Graubären. Uinonah wußte nicht, wie sein Name als Krieger lautete. Aber nachdem der Herold bekanntgegeben hatte, daß am siebenten Tage zwei junge Krieger durch den Sonnentanz gehen würden, hatten die Mädchen neben Uinonah geflüstert und gewispert, daß Donner vom Berge und Stein mit Hörnern die Auserwählten seien und daß diese beiden dort drüben ständen, dort drüben in der ersten Reihe. Stein mit Hörnern mit dem Schmuck der Bärenkrallen, mit dem Wampumgürtel und den Adlerfedern.
Harka, Uinonahs Bruder, war dieser eine der beiden mit dem ruhmvollen Schmuck. Sie wußte nicht, ob er sie gesehen hatte. Sie glaubte es nicht. Er kümmerte sich wenig um die zahlreichen Festteilnehmer. Erst war er mit Donner vom Berge zusammen in sein Zelt gegangen, später hatte er einmal den Spielen der Knaben zugeschaut, und endlich war er in die Prärie hinausgeritten. Was hatte er für ein herrliches Pferd! Die Männer und Burschen sprachen von diesem Mustang und sagten, daß es ein Zauberpferd sei. Natürlich müsse es die Rennen am dritten Tage gewinnen, denn gegen Zauber könne niemand etwas ausrichten.
Uinonah war am Abend mit Speerspitzes Frau zusammen noch durch die Wiesen rund um den Festplatz gegangen, und sie hatte dabei die Spur des Falben gesehen, die in die Prärie hinausführte. Von ihrem Tipi aus, zu dem sie bei Sonnenuntergang mit der Frau zurückkehrte, konnte sie das Zelt beobachten, in dem ihr Bruder wohnte. Sie war lange aufgeblieben und hatte hinübergespäht. Er war nicht zurückgekommen. Endlich hatte sie sich schlafen gelegt, weil ihr Verhalten sonst aufgefallen wäre. Sie hatte auf Hufschlag gelauscht. Sie war aufgestanden und noch einmal zum Zeltschlitz gegangen, um hinüberzuschauen. Der Falbe war noch nicht wieder vor dem Zelte angepflockt.
Jetzt rang sie um einen Entschluß. Die vergangenen Jahre waren schwer für sie gewesen. Sie sah noch einmal den Vater vor sich, bei seinem heimlichen Besuch, im hastigen und vergeblichen Gespräch mit der Mutter, dann gefesselt von Tashunka-witko. Sie hörte noch einmal, wie Untschida berichtete, daß Harpstennah tot sei und wie sie Harka in die Augen gesehen habe und wisse, daß er den Bruder getötet habe. Sie glaubte noch einmal zu hören, wie Schwarzhaut Kraushaar das Grauenvolle bestätigte. Wie sie nun auf ihrem Lager im Dunkeln das alles noch einmal zu sehen und zu hören glaubte und das Bild Harkas immerzu vor ihrer Einbildungskraft stand, so wie sie ihn einst gekannt und so wie sie ihn am vergangenen Tage wiedergesehen hatte, da überwältigte es sie. Sie erhob sich leise, zog sich an und ging hinaus.
Die Sommernacht war kühl, obgleich der Tag sehr heiß gewesen war. Der Wind spielte mit den Beutestücken an der Trophäenstange.
Uinonah wußte nicht, daß sie beobachtet wurde.
Sie wußte, daß sie tat, was sie nicht tun durfte. Doch sie war bereit, alles auf sich zu nehmen, was daraus entstehen konnte, denn sie war des Lebens, das sie führte, grenzenlos müde. Schonka, Harkas alter Gegner, hatte sie in sein Zelt nehmen wollen, um sie als seine Frau zu demütigen. Sie hatte sich standhaft geweigert, ihm zu folgen. Tschetan, der als Krieger den Namen Tschetansapa, Schwarzfalke, führte, hatte um sie geworben. Aber sie liebte ihn nicht, und er raubte sich eine Frau aus einem anderen Stamme, aus dem Stamme der Ponka. Uinonah lebte mit Untschida dahin, im Zelte ohne Krieger, von den Almosen der anderen Zelte ernährt, herangewachsen zu einem Mädchen von siebzehn Jahren, aber unvermählt. Schweigsam, stolz, traurig, so war sie allen bekannt. Nur mit Untschida konnte sie offen sprechen.
Es war ihr sehr wunderbar erschienen, daß Tschotanka sie in seinem Zelte auf die weite Wanderung zu dem großen Feste mitnehmen wollte. Von den Zelten der Bärenbande hatten sich nur zwei auf den wochenlangen Weg gemacht: das Zelt Tschotankas, den Tatanka-yotanka hatte wissen lassen, daß er kommen sollte, und das Zelt Schonkas. Schonka war vier Jahre älter als Stein mit Hörnern. Als Krieger hatte Schonka den Namen Schonkawakon erhalten, aber die meisten nannten ihn einfach weiter Schonka, obgleich er das nicht gern hörte. Das Zelt Schonkas war von Hawandschita, dem Geheimnismann der Bärenbande, dem Feinde Mattotaupas, zu dem großen Feste geschickt worden. In diesem Zelte wohnte Schonka mit seiner Mutter und seiner Frau Hyazinthe. Außerdem war in diesem Zelte der älteste Sohn von Alte Antilope mitgekommen, jenes
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