Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)
Sie, Sie Flexigym, Sie Kurator!«
Referent darf Wasser nicht laufen lassen, auf gar keinen Fall, es gibt keine größere Tortur für Patient, als ihm seinen Willen zu lassen, siehe Patientenverfügung Artikel eins, aber ich kann nicht. So schwarz, direkt vor den offenen Augen, aber still plötzlich, still, wieso denn nur?
Patient hat sich selbst das Wasser abgedreht, und augenblicklich bin ich wieder bei mir, alles wieder unter Kontrolle, fast, kann mir nur ein kurzes Schielen in die Kamera nicht verkneifen und wende mich dann dem Professor zu, der klatschnass, aber vollkommen gefasst neben mir steht. Wegen seiner beschlagenen Brille kann ich seine Augen nicht erkennen, weiß deshalb das kleine Lächeln auf seinen Lippen nicht recht zu deuten. Als wolle er mir helfen, nimmt Patient die Brille ab, mit ihr aber auch sein Lächeln, legt mir väterlich die Hand auf den Arm und fragt in einfühlender Strenge:
»Sind Sie wieder in Ordnung, Herr Doktor?«
»Äh ja, Herr Professor, verzeihen Sie …«
»Sie bringen uns beide noch in Teufels Küche.«
»Es tut mir wirklich leid.«
»Naja, hat auch Vorteile, immerhin konnte ich Ihnen so recht eindrücklich wieder einmal meine übermenschliche Stärke demonstrieren. Ich habe mich schließlich soeben selbst vor dem Ertrinken gerettet. Ich habe mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Das soll mir erst mal einer nachmachen! Bin für heute beurlaubt zur Normalität, Herr Doktor, was meinen Sie?«
»Es tut mir wirklich sehr leid, Professor.«
»Das ist nicht gut, Herr Doktor, gar nicht gut.«
»Ja, verzeihen Sie, es wird nicht wieder vorkommen, ich weiß doch um Ihre Wassernot.«
»Ach das«, er winkt belästigt ab. »Das meine ich nicht. Ich meine, dass es nicht gut ist, dass ich mehr über Ihren zukünftigen Dienstplan weiß als Sie. Das ist nicht gut, gar nicht gut, für keinen von uns beiden.«
»Wie?«
Er trocknet sich gereizt schnaufend ab, schrubbt sich wie immer den ganzen Körper feuerrot, wirft mir dann auch ein Handtuch zu, aber ich bin zu verwirrt, um es aufzufangen, und deshalb wirft er mir augenrollend noch ein zweites zu:
»Trocknen Sie sich die Haare, mein Junge, ich bin schon längst wieder trocken, Lichtjahre vor allen anderen. Und dann helfen Sie mir endlich beim Anziehen.«
»Ja, ist gut, ich lasse die Schwester kommen.«
»Nein, heute nicht, heute helfen Sie mir mit dem Bruchband, ich will nicht, dass die dumme Schwester, diese fette Sau, mir wieder am Sack rumfummelt.«
»Ach hören Sie auf, schon wieder solchen Unsinn zu erzählen! Keine der Schwestern fummelt Ihnen …«
»Nun machen Sie schon endlich, elende Satanssonde!«
Er ist auf seinen Wickeltisch gehüpft, nuckelt an seiner Opium-Rhabarber-Flasche, mustert mich abschätzig, während ich, das Bruchband um meine Handgelenke aufwickelnd, auf ihn zukomme, und nuschelt durch den Schnuller zwischen seinen Zähnen:
»Er hat die schönste aberratio, mentalis partialis, die zweite Spezies, sehr schön ausgeprägt. Herr Doktor, er kriegt Zulage.«
»Ja, Herr Professor. Den Oberschenkel mal kurz etwas anheben, bitte.«
Da Patient sich weigert, Leistenbruch operieren zu lassen, andauernder Darmaustritt in den Leistenkanal bei Anspannung der Bauchmuskulatur. Doppelt gefährlich, da Patient sich gegen Anlegen des Bruchbands stets mit Fußtritten wehrt. Die Schwester tut mir leid, die diese Prozedur jeden Morgen über sich ergehen lassen muss.
»Nun hören Sie schon auf, uns beiden das Leben schwer zu machen, Professor, halten Sie endlich still! Ich schaue mir das nicht länger an, ich werde Sie nächste Woche von Dr. Bulgenow operieren lassen, ob Sie wollen oder nicht.«
»Nie im Leben! Keiner von euch Hochstaplern operiert mich! Eher schieße ich mir in den Kopf und dann euch!«
»Ja, Herr Professor. Halten Sie still, verdammt noch mal … so, na endlich. Jetzt anziehen!«
»Ich will mir noch schnell die Füße abditschen.«
»Nein, heut wird nicht geditscht, nix da, nach diesem Theater. Jetzt ziehen Sie schnell Ihren Trainingsanzug an und dann ab in die Laufkur!«
»Aber Herr Doktor, mit dem Bruch …«
»Na na, ein Leistenbruch ist doch schließlich kein Beinbruch, also los!«
»Na schön, aber wir wollen vorher erst noch etwas weiterarbeiten, ich will Ihnen ein Stück diktieren«, er flitzt, noch immer nur mit dem Bruchband bekleidet, aus dem Bad hinüber in sein angrenzendes Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer, greift nach meinem Computer auf seinem Schreibtisch und hält ihn
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