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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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oder?«
    »Jaja, natürlich«, sie war schon an der Tür und lächelte tapfer, was ich endgültig nicht mehr ertrug, und so sprang ich auf und hielt sie zurück, hielt sie fest und küsste sie panisch, in der irren Hoffnung, dadurch alles Schlimme wegzumachen und sie alles vergessen zu machen, was sie gesehen hatte, und für einen kurzen, stillen Moment schien alles gut, aber dann flüsterte sie hastig: »Ich wollte dir nicht hinterherspionieren, wirklich nicht, ich konnte nur nicht schlafen, und da hab ich zufällig …«
    »Jajaja, schschsch …«
    »Es macht mir Angst.«
    »Schsch, ist gut, ist alles gut, du brauchst keine Angst zu haben, wir werden das wegmachen. Wir werden das wegmachen.«
    Ich strich ihr wie einem kleinen runden Tier fest über den Kopf, um mich selbst zu beruhigen und murmelte den letzten Satz immer wieder vor mich hin, bis sie plötzlich leise auflachte:
    »Sieht so aus, als wärst du tatsächlich auf dem besten Weg, Arzt zu werden.«

8.
    Noch immer sitzt Referent an Schreibtisch, Gott weiß, seit wann, und versteht die Bilder oder eher die Berichte nicht mehr. Es ist ja nicht nur die vollkommen intakte Parasympathie, sondern obendrein auch noch eine tadellose, höchstens in dieser Tadellosigkeit leicht suspekte Gesundheitseinsicht der Patientin, sondern vor allem die Tatsache, dass beides selbst für die blindeste Blindschleiche von Medizinstudent auf den ersten Blick zu erkennen ist, die es nahezu ausschließen, dass der Arzt da unten versehentlich zu dieser Fehldiagnose hat kommen können. Aber selbst wenn man sich ein solches Maß an ärztlicher Inkompetenz vorzustellen vermöchte, bliebe die Einweisung der Patientin rätselhaft, da die Klinikleitung alle Befunde von unten genau prüft, bevor sie eine Diagnose von dort, und sei es auch nur als vorläufige, in ihre offiziellen Einweisungspapiere über- und also aufnimmt und damit das Objekt dieser Diagnose hier heraufschickt und zum Patienten ernennt, einmal ganz abgesehen davon, dass die allermeisten Einweisungsgesuche von unten gar nicht erst von der Klinikleitung zur Kenntnis genommen werden können, sondern ungeöffnet zurückgesendet werden, und dass es hier oben schon seit Jahren keine Ambulanz mehr gibt.
    Alles deutet so offenkundig darauf hin, dass die ambulante Patientin eine Prüfung für Referenten darstellt, dass ich es für recht unwahrscheinlich halte. Was sollte denn auch der Sinn einer solchen Prüfung sein – ausgerechnet jetzt? Nein, die Klinikleitung wird meinen Eigenbericht abwarten und erst dann gegebenenfalls die ersten zaghaft tänzelnden Schritte prüfender Maßnahmen einleiten. Und selbst wenn es doch so wäre, es wäre für mein weiteres Vorgehen ohnehin irrelevant, denn schließlich verpflichtet mich schon mein nosographischer Eid darauf, jede Einmischung in meine persönlichen Angelegenheiten zu unterlassen und mich ganz auf meine Krankenberichte und den einen weiteren, nicht ganz unwichtigen Bericht, den Bericht meines Lebens, wer weiß, zu konzentrieren. Referent beschließt also, keinen Gedanken mehr an den Sinn des Ganzen zu verschwenden, greift zum Mikrophon, um Bericht über ambulante Patientin zu diktieren.
    Stimme des Referenten ist leicht brummend tiefergelegt, auf- und abbrausend und monoton schleppend zugleich, wie immer, wenn er diktiert, da den Schwestern diese altertümlich flugkapitänartige Verschleifung ärztlicher Rede angeblich so gut gefällt. Sie behaupten, es erleichtere ihnen das Transkribieren. Aber diesmal versiegt der Strom meiner Worte schon bei der Eingabe der Patientendaten. Dass sie noch nicht mal ihren Vornamen geändert hat, die unglaubliche Unverfrorenheit besitzt, mit ihrem echten Namen hier aufzutauchen, aber andererseits ihren Nachnamen, meinen Namen, den Namen, den ich ihr geschenkt habe, verleugnet, das ist zu viel des Guten, das sich in Böses verwandelt hat!
    Empörung des Referenten gekünstelt, läppischer Versuch, einen Schutzschild vor die eigene Schuld zu stellen, denn nur die Schuld ist schützenswert, das Einzige, was von einem übrigbleibt, und deshalb stelle ich mich vor sie, so wie ich, als wir uns an diesem fatalen zwanzigsten Juni zum ersten Mal allein gesehen haben, am Strand von Gursuf, oben im Nordosten von Groß-Jalta, versucht habe, mich hinter der angeberischen Narbe, die damals noch einsam und allein meine Brust vom linken Schlüsselbein bis zum rechten Rippenbogen querte, zu verstecken und zu vergrößern zugleich. Aber sie zeigte sich, im Gegensatz

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