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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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Fragen zuvorzukommen oder eher, um es so erscheinen zu lassen, als wolle ich nur von mir ablenken, sage ich beiläufig:
    »Apropos Frau von Hadern – sie erzählte mir gestern etwas Interessantes, und zwar …«
    »Das glaube ich kaum, Doktor«, er setzt sich schwerfällig auf sein Bett und greift nach der Flasche auf seinem Nachttisch. »Selbst ein so anspruchsloser Mensch wie Sie kann unmöglich irgendetwas Interessantes in dem hirnlosen Geschwafel dieser verschrumpelten, verdorrten alten Schlampe ausmachen.«
    »Wie dem auch sei«, ich setze mich an den Schreibtisch, lege die Beine hoch, zupfe an den Bundfalten meiner Leinenhose herum und betrachte selbstgefällig meine hübschen, überpflegten Füße, »in jedem Fall erzählte sie, wie sie vor dreißig Jahren hier hochkam, in Begleitung ihres Mannes, der, um ihr die Eingewöhnung zu erleichtern, eine Woche lang bei ihr geblieben ist.«
    »So, hat sie Ihnen das erzählt, ja?« Der Professor nimmt seine Fenstergläser ab, reibt sich die Augen und lächelt mich dann kopfschüttelnd an. »Und das haben Sie geglaubt, ja? Ich nehme an, Sie glauben ihr auch die Geschichte von ihrer blauen dreieckigen Vagina, durch die man nach Atlantis reisen kann, mit Zwischenstopp in Odessa, versteht sich.«
    »Ach kommen Sie, Professor, das sind doch nur die langweiligen Aufschneidereien, mit denen sie Sie beim Essen ärgern will, das ganz normal verrückte Getue. Sie müssen zugeben, die Geschichte von ihrem Mann, das ist ein anderes Kaliber.«
    »Pah, davon könnte ich Ihnen Dutzende erzählen!«
    »Tja, ich wär mir da nicht so sicher«, achselzuckend stehe ich auf, um dem Professor, der mir mit überstrecktem Arm seine leere Flasche hinhält, dabei das Gesicht aber beleidigt wegdreht, seinen Opium-Rhabarbersaft auffüllen zu gehen, und murmele auf dem Weg zum Zapfhahn im Flur überflüssigerweise vor mich hin: »Naja, könnte ich ja bei Gelegenheit mal nachlesen, die Geschichte von Frau von Haderns Einweisung, könnte ich ja mal machen.«
    Ja, natürlich könnte ich mir mal die Akte von Frau von Hadern anschauen! Es steht mir schließlich frei, jederzeit jede Akte hier einzusehen, ich kann so sehr oder so wenig aktenkundig und akteneinsichtig sein, wie es mir gefällt, und daher ist diese Möglichkeit so wenig der Rede wert, dass ihre Erwähnung mich aufhorchen lässt. Doch ich lasse es dabei bewenden, festzustellen, dass es mir, auch wenn ich es nicht verstehe, so vorkommt, als könnte ich die Akte nur im beiläufigen Geplauder mit dem Professor, gewissermaßen von mir selbst unbemerkt, einsehen.
    So gebe ich ihm die Flasche wieder, schlendre zurück an den Schreibtisch, rufe, ununterbrochen plappernd, am Rechner das Archiv auf und lasse die Akte suchen, was eine Weile dauert, weil sich das Archiv laufend selbst neu ordnet und sich einen Spaß daraus macht, Akten in immer anderen Ordnern abzulegen. Daher lässt sich der Akt v. Hadern weder direkt unter dem Namen der Patientin noch unter Aufnahmen finden, sondern unter Maientage . Und als wollte ich lediglich dem jetzt wieder einsetzenden Geschrei des Patienten irgendetwas entgegenschicken, lese ich das erste Protokoll in Sachen von Hadern, verfasst von einem mir unbekannten gewissen Dr. Dohlenau, laut vor:
    »Patient sagt, er sei durchaus damit einverstanden, dass seine Frau sich von ihm trenne, wolle lediglich vorschlagen, sich gegenseitig zu unterstützen in einvernehmlichem Wunsch, sich zu trennen und neues, gesünderes Leben zu beginnen. Darauf, sich künftig nicht mehr zu sehen, könne man sich aber nur gegenseitig vorbereiten, indem man sich so häufig wie möglich sehe, um so die schwierige Phase der Gewöhnung an getrenntes Leben und Übergang von einem Leben zum anderen zu erleichtern. Patient schlägt seiner Frau daher im Beisein des Referenten, dessen Beipflichtung er gestisch und verbal – nicht wahr, Herr Doktor? – immer wieder erbittet, vor, ein getrenntes Leben durch tägliches therapeutisches Einandersehen zu bewerkstelligen. Um sich gegenseitig nicht schlagartig und also mit unabsehbaren Schockwirkungen abzusetzen, sondern sich vielmehr langsam auseinander auszuschleichen, sei es angezeigt, an bisherigem alltäglichem gemeinsamem Leben möglichst wenig zu ändern, um so den Wechsel zum neuen Leben möglichst für beide Teile ohne letale Nebenwirkungen vollziehen zu können. Als Frau des Patienten schweigt und Referenten mit eindringlichen Blicken um Hilfe bittet, wird Patient unwillig, beginnt, wie schon bei

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