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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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eingesetzt. Und ich untersuche jetzt, ob diese Frau Marcella Harris überhaupt gekannt hat.«
    Mrs. Wilders Hände tanzten nervös in ihrem Schoß. Ihre Augen tanzten habgierig. »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Carpenter?« sagte sie eilfertig.
    Ich tat so, als müßte ich darüber nachdenken. »Mrs. Wilder, Sie können mir dadurch helfen, daß Sie mir alles und jedes erzählen, was Sie über die Freunde von Marcella Harris wissen.«
    Jetzt schien der ganze Körper der Frau zu tanzen. Schließlich auch ihre Zunge. »Nun, um die Wahrheit zu sagen...«, fing sie an.
    »Sie sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen«, warf ich streng ein.
    Sie nahm es mir ab. »Nun, Mr. Carpenter, Marcella war hauptsächlich mit Männern befreundet. Ich meine, sie war eine gute Mutter und so, aber sie hatte viele Männerbekanntschaften.«
    »Das ist kein Verbrechen.«
    »Nein, aber -«
    Ich unterbrach sie. »Ich habe gehört, Michael Harris war ein wilder Junge. Daß er sich geprügelt hat. Daß er vor den anderen Kindern in der Nachbarschaft die Hosen runtergelassen hat.«
    Mrs. Wilder lief rot an und kreischte: »Daß der Junge ein Teufel war! Nur die Hörner haben ihm noch gefehlt! Dann hätten alle es gewußt. Ein Junge ohne Vater ist eine böse Sache!«
    »Nun, Michael ist jetzt ja bei seinem Vater.«
    »Von dem hat mir Marcella auch erzählt! Was das für ein übler, gutaussehender Taugenichts war!«
    »Um auf ihre Männerbekanntschaften...«
    »Ich dachte, Sie sagten, eine Frau würde diesen Anspruch stellen, den Sie jetzt überprüfen.«
    »Ja, aber diese Frau behauptete, Marcella hätte keine Männerbekanntschaften, Marcella sei eine ruhige Frau, die sich um ihre Karriere und ihren Sohn kümmerte.«
    »Ha! Frauen wie Marcella ziehen Männer an, wie Marmelade die Fliegen. Ich weiß Bescheid. Ich hab’ auch meine Verehrer gehabt, bevor ich geheiratet habe, aber so wild wie diese schamlose Person habe ich es nie getrieben!«
    Ich ließ Mrs. Wilder Atem holen. »Können Sie mir das bitte erklären«, sagte ich.
    Mrs. Wilder fuhr fort, jetzt ein bißchen vorsichtiger: »Nun ... als Marcella einzog, bot ich ihr an, ein kleines Kaffeekränzchen für sie zu veranstalten und ein paar Damen aus der Nachbarschaft einzuladen. Nun... Marcella sagte mir, sie wolle sich nicht mit Frauen anfreunden, man könne zwar mit ihnen ab und zu ein Täßchen Kaffee trinken, aber sie würde Männer jederzeit vorziehen. Ich sagte ihr: ›Sie sind geschieden. Haben Sie nichts dazugelernt?‹ Ich werde nie vergessen, was sie dann sagte: ›Doch, das hab’ ich. Ich habe gelernt, Männer so zu benutzen, wie sie Frauen benutzen, und es dabei zu belassen.‹ Ich sag’ Ihnen gern, Mr. Carpenter, ich sag’ Ihnen gern, daß ich schockiert war!«
    »Ja, das war schockierend. Hat Marcella Harris sich jemals ausführlich über ihren Ex-Mann geäußert? Oder einen ihrer Freunde?«
    »Sie hat mir nur gesagt, daß Doc Harris ein charmanter Nichtsnutz von einer Schlange wäre. Und ihre Freunde? Wenn ich gewußt hätte, daß die bei ihr übernachten, hätte ich dem Einhalt geboten, und zwar sofort! Ich lasse solche Schweinereien nicht zu.«
    Ich hatte langsam genug von Mrs. Wilder. »Wie haben Sie dann schließlich herausgefunden, was mit Mrs. Harris los war?« fragte ich.
    »Michael. Er ... hat mir Zettel geschrieben. Anonyme. Obszöne. Ich -«
    Ich war hellwach. »Haben Sie sie noch?« platzte ich heraus.
    Mrs. Wilder kreischte wieder: »Nein, nein, nein! Darüber möchte ich nicht reden. Vom Augenblick ihres Einzugs an wußte ich, daß sie schlecht war. Ich verlangte Referenzen, und Marcella hat mir falsche gegeben, falsch von vorn bis hinten. Wenn Sie mich fragen, dann ist sie -«
    Das Telefon klingelte. Mrs. Wilder ging in die Küche, um es abzunehmen. Als sie außer Sichtweite war, huschte ich rasch durchs Zimmer und schnüffelte in den Buchregalen herum. Auf dem Fernsehgerät fand ich einen Stapel ungeöffneter Briefe. Ein Brief war dabei, der an Marcella Harris adressiert war. Jemand, wahrscheinlich Mrs. Wilder, hatte mit Bleistift auf den Umschlag geschrieben: »Verstorben. Nachsenden an William Harris, 4968, Beverly Boulevard, Los Angeles 4, Kalifornien.«
    Ich hörte die Wirtin noch in der Küche quatschen. Ich steckte den Briefumschlag in meine Tasche und verließ ihr Haus leise.

    Es dämmerte schon beinahe. Ein paar Blocks vor der Auffahrt hielt ich an und las den Brief: Es war nur eine Mahnung ihres Zahnarztes, und ich warf sie aus dem Fenster. Aber es

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