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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Ihr Körper war eine üppige Einladung zu großem Vergnügen, aber ihre Augen hielten mich gefangen. Ich mußte das Gesicht minutenlang angestarrt haben, bevor ich wieder zu mir kam. Als mir schließlich klar war, wo ich mich befand, legte ich die Zigarrenkiste zurück, schloß die mit Seide ausgelegte Schublade, schaltete das Licht aus und verließ die kleine Garagenwohnung, bevor Marcella Harris mich in den gleichen Bann schlug wie Henry Hart.

18
    Ich hatte mich auf William »Doc« Harris vorbereitet. Ich hatte an einer Schnelldruckerei gehalten und mir hundert getürkte Visitenkarten drucken lassen, bevor ich ihn in die Mangel nahm. Auf den Karten war zu lesen: »Frederick Walker, Prudential Versicherung.« Prudentials Emblem, der Felsen, war in die Mitte gedruckt, darunter stand in gewichtigem Kursivdruck das Wort »Detektiv«. Eine falsche Telefonnummer machte den Schwindel komplett. Die Druckerschwärze war kaum trocken, als ich die Karten in die Tasche schob und zu Nr. 4968, Beverly Boulevard fuhr.

    »... und wie Sie sehen, Mr. Harris, möchte ich nur über die Vergangenheit Ihrer verstorbenen Frau sprechen, damit ich der Auszahlungsabteilung mit Bestimmtheit sagen kann, daß dieser Anspruch nicht zu Recht besteht. Ich glaube, daß das so ist, und ich bin seit acht Jahren Versicherungsdetektiv. Nichtsdestotrotz muß die Schmutzarbeit getan werden.«
    Doc Harris nickte nachdenklich, schnippte mit seinem Daumennagel gegen meine falsche Karte und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Er saß mir an einem mitgenommenen Teetisch gegenüber und war einer der beeindruckendsten Männer, die ich je gesehen hatte: einsdreiundachtzig groß, annähernd sechzig Jahre alt, volles weißes Haar, mit dem Körper eines Athleten und einem feingeschnittenen Gesicht, das eine Mischung aus strenger Aufrichtigkeit und rauhem Humor ausdrückte. Ich verstand, was Marcella an ihm gesehen hatte.
    Er setzte ein breites Lächeln auf, und seine Züge entspannten sich mit ansteckender Wärme. »Nun, Mr. Walker«, sagte Doc Harris, »Marcella hatte es drauf, einsame Menschen anzuziehen und ihnen lächerliche Versprechungen zu machen, die zu halten sie nicht beabsichtigte. Bitte seien Sie aufrichtig zu mir, Mr. Walker. Was haben Sie bis jetzt über meine Ex-Frau herausbekommen?«
    »Um ehrlich zu sein, Mr. Harris, daß sie viele Männerbekanntschaften hatte und Alkoholikerin war.«
    »Mir muß niemand Lügen erzählen«, erklärte Harris. »Ich bin aufrichtig und erwarte Aufrichtigkeit. Also, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme. Das war als einschüchternde Geste gedacht, funktionierte aber nicht. »Mr. Harris -«, fing ich an.
    »Nennen Sie mich Doc.«
    »Okay, Doc. Ich brauche Namen, Namen und nochmals Namen. Alle Freunde und Bekannten, die Ihnen einfallen.«
    Harris schüttelte den Kopf. »Mr. Walker -«
    »Nennen Sie mich Fred.«
    »Fred, Marcella traf ihre Liebhaber und ihre ständigen Begleiter, wenn man die so nennen kann, in Bars. Bars waren der einzige Brennpunkt in ihrem gesellschaftlichen Leben. Punkt. Obwohl, Sie könnten es auch bei den Leuten von Packard-Bell versuchen, wo sie arbeitete.«
    »Hab’ ich schon. Die wichen aus.«
    Harris lächelte bitter. »Aus gutem Grund, Fred. Die wollten nicht schlecht über eine Tote reden. Marcella suchte Bars in ganz Los Angeles heim. Sie wollte nirgendwo seßhaft werden. Sie hatte furchtbare Angst, als schlampige Stammkundin irgendwo zu enden, also zog sie um die Häuser. Sie wurde, glaube ich, einige Male wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet. Wie heißt die Frau, die den falschen Anspruch erhebt?«
    »Alma Jacobsen.«
    »Nun, Fred, ich sage Ihnen, was meiner Meinung nach geschah: Marcella traf diese Frau in irgendeiner Schnapsbude, betrunken. Sie hat sie mit ihrer Persönlichkeit und ihrer Schwesterntracht umgeworfen und ihr, die wahrscheinlich auch ziemlich blau war, ein paar Dokumente gezeigt. Marcella hat dann der Frau erzählt, wie einsam und verzweifelt sie wäre, und wie sehr sie jemand bräuchte, der im Falle ihres Todes ihre Aktivitäten gegen Tierversuche fortführe. Marcella war ein großer Tierfreund. In ihrem Alkoholnebel hat Marcella dann wahrscheinlich ein großes Theater gemacht, sich Name und Adresse der Frau geben lassen und die Dokumente unterzeichnet. Marcella war eine vorzügliche Schauspielerin, und die Frau hat es ihr ohne Zweifel abgenommen. Als Marcellas Tod in der Zeitung stand, dachte Alma, sie wäre eine

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