Heimlich
paßte: Marcella Harris hatte ein flottes Leben geführt und ihre kleinen Verpflichtungen vernachlässigt. Ich überlegte, was sie wohl für eine Krankenschwester gewesen war. Ich fuhr Richtung Santa Monica, um das herauszufinden.
An jenem Abend erschienen mir die Freeways surreal; endlos scheinende Ströme aus roten und weißen Lichtern brachten Reisende an Heim und Herd, zu Arbeit und Spiel, zu Rendezvous’ und unbekannten Zielen. Das war nicht mein Los Angeles, durch das ich da fuhr, und die tote Krankenschwester ging mich nichts an, aber als aus den östlichen Vororten die gute, altvertraute Innenstadt von L. A. wurde, rasteten die alten Instinkte wieder ein. Und die Aufregung, dem Unveränderlichen, doch sich immerwährend Ändernden da draußen auf der Spur zu sein, ergriff mich. In meinem Leben passierte nichts, und die Suche nach einem Mörder schien mir gerade recht, um die Leere zu füllen.
Ich strengte mich an, mir Maggie Cadwallader nackt vorzustellen. Zum ersten Mal seit Jahren hielt ich nicht den Atem an.
Die Firma Packard-Bell Electronics lag am Olympic Boulevard im Herzen des Industriegebiets von Santa Monica.
Um die Ecke war auf dem Bundy Drive ein Drive-In-Kino, und als ich parkte, sah ich, daß sie ein Horrorspektakel von Big Sid aufführten. Das deprimierte mich, aber meine Jagderwartungen zerstreuten meine Niedergeschlagenheit schnell.
Die Fabrik war ein eingeschossiges rotes Backsteingebäude, das sich in verschiedenen Richtungen zu erstrecken schien. An den Versandbereich schlossen sich zwei Parkplätze an, die durch eine niedrig hängende Kette getrennt waren. Der näher liegende Parkplatz, der neben dem Haupteingang lag, war leer. Er war gut beleuchtet und von gleichmäßig angeordneten kleinen Büschen umsäumt. Der andere Parkplatz war größer und mit Zigarettenkippen, Bonbonpapieren und Zeitungen übersät. Das mußte der Parkplatz der niedrigen Chargen sein.
Ich sprang über die Kette, um ihn mir näher anzusehen. Die Autos darauf waren diagonal geparkt, zum größten Teil waren sie alt und zerbeult. Kleine Metallschilder auf Stangen zeigten - je nach Prestige - an, wessen Parkplatz dies war. Die Leute aus der Reparaturabteilung parkten am weitesten vom Eingang entfernt, die Versender standen näher, noch näher die Fließbandarbeiter.
Ich fand das, was ich suchte, vor dem schwach beleuchteten Eingang zum Versand: eine einzelne Parklücke, auf die in weißer Farbe das Wort »Vorarbeiter« gemalt war.
Ich sah auf die Uhr - 9.23 Uhr. Die Nachtschicht kam wahrscheinlich um Mitternacht. Ich konnte nur warten.
Erst spät wurde ich belohnt. Über drei Stunden in einer dunklen Ecke des Parkplatzes zu hocken, hatte mich in eine träge Stimmung versetzt. Ich schaute zu, wie die Spätschicht Punkt 12 Uhr mit quietschenden Reifen davonfuhr. Sie schienen glücklich über ihre Freiheit zu sein.
Die Leute von der Nachtschicht tröpfelten im Lauf der nächsten halben Stunde ein, sie waren offensichtlich nicht so glücklich. Meine Augen waren auf den Parkplatz vor dem Gebäude fixiert, und um 0.49 Uhr fuhr ein gepflegter 46er Cadillac auf den Parkplatz des Vorarbeiters. Ein dicker, blonder Mann stieg aus. Von meinem Aussichtspunkt konnte ich nicht erkennen, ob ihm ein Daumen fehlte.
Ich wartete fünf Minuten und folgte ihm nach drinnen. Am Ende eines langen, schwach beleuchteten Korridors befand sich eine Kantine. Ich ging hinein und schaute mich um. Ein junger Kerl mit Entenschwanzfrisur sah mich neugierig an, aber die anderen schwänzenden Arbeiter schienen mich nicht zu bemerken. Der dicke, blonde Vorarbeiter saß am Tisch, in seiner rechten Hand hielt er eine Tasse Kaffee. Ich holte mir ein Coke aus dem Automaten und trank es in aller Ruhe. Der Vorarbeiter hatte seine linke Hand in der Tasche. Da ließ er sie, was mich wahnsinnig machte. Endlich nahm er sie heraus und kratzte sich die Nase. Der Daumen fehlte - die gewünschte Bestätigung.
Ich ging wieder nach draußen und fand einen verrosteten alten Drahtkleiderbügel auf dem Boden am Rande des Parkplatzes liegen. Ich bog ihn mir zurecht und ging lässig hinüber zum Cadillac des Vorarbeiters. Der Wagen war verschlossen, aber das kleine Seitenfenster auf der Fahrerseite stand offen. Ich schaute mich in alle Richtungen um, dann führte ich den Drahtbügel durch das Fenster und hakte ihn über dem Türknopf ein. Das erste Mal rutschte der Draht runter, aber das zweite Mal packte er ihn, und ich zog den Knopf hoch.
Ich stieg schnell in
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