Heimlich
»Warten Sie hier. Ich trag meine Post aus und dann treffen wir uns in zwanzig Minuten.«
Er hielt sein Wort, und eine halbe Stunde später war ich in einer schäbigen Bar in der Nähe des Freeways und hörte höflich Randy Rice zu, der mir seine Theorie von der »illegalen Immigranten-Plage Amerikas« erläuterte.
»Ja«, fiel ich ihm schließlich ins Wort, »und es ist ein hartes Leben für einen weißen Arbeiter. Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid. Ich bin jetzt da an diesem schwierigen Fall, und keiner der Mexikaner, mit denen ich rede, will mir eine ehrliche Antwort geben.« Randy Rice bekam Glubschaugen vor Ehrfurcht. Ich fuhr fort: »Deswegen wollte ich mit Ihnen reden. Ich dachte mir, ein intelligenter weißer Mann, der sich in Medina Court auskennt, kann mir bestimmt ein paar Hinweise geben.«
Ich bestellte Randy Rice noch ein Bier. Er spülte es runter, und sein Gesicht verzog sich zu einem Abziehbild an Gewieftheit. »Was wollen Sie wissen?« fragte er.
»Ich hab’ gehört, daß Marcella Harris hier in Medina Court rumhing. Ich denke, das ist ein Scheißort für eine weiße Frau mit Kind.«
»Ich hab’ die Harris hier gesehen«, sagte Randy Rice, »sehr oft.«
»Woher wußten Sie, daß sie es war? Haben Sie sie auf den Bildern in der Zeitung wiedererkannt, als sie umgelegt wurde?«
»Nein, sie wohnte bei mir um die Ecke. Ich sah sie morgens zur Arbeit gehen, ich sah sie im Laden und ich sah sie immer, wenn sie ihren Hund spazierenführte. Ich hab’ sie auch gesehen, wenn sie im Vorgarten mit ihrem verrückten Jungen Fangen spielte.« Rice schluckte. »Wer hat Sie angeheuert?« platzte er heraus.
»Ihr Ex-Mann. Er hat Blut geleckt. Er glaubt, einer ihrer Freunde hat sie abgemurkst. Warum sagen Sie, daß ihr Junge verrückt ist?«
»Weil es stimmt. Dieser Junge ist das reine Gift, Mister. Erstens ist er erst neun Jahre alt und schon über 1,80 groß. Und dann haßt er die anderen Jungens. Mein Bub hat mal erzählt, daß Michael ihnen immer die Baseballspiele in der Schule versaute und alle zu Schlägereien provozierte. Und er wurde dann immer verprügelt - ich meine, er ist riesengroß, aber er kann nicht kämpfen und hat immer die Hucke voll bekommen, und dann hat er immer gelacht wie ein Wahnsinniger, und...«
»Und vor den andern die Hose runtergelassen?«
»... ja.«
»Sie schienen nicht überrascht zu sein, als ich Marcella Harris’ Freunde erwähnte.« Mit einem Wink bestellte ich dem inzwischen rotgesichtigen Rice noch ein Bier. »Erzählen Sie mir was darüber«, sagte ich. Er glotzte lüstern und sagte: »Monatelang habe ich sie hier in Medina gesehen, sie fuhr in ihrem Studebaker und hing im Deadman’s Park herum.«
»Deadman’s Park?«
»Ja, da, wo Medinas Sackgasse endet. Tote Hunde und tote Penner und tote Autos. Ich hab’ sie ’n paarmal mit Joe Sanchez auf seiner Veranda rumhängen sehen. Hat sich richtig wohl gefühlt mit ihm. Er in seinen scharfen Klamotten und sie in ihrer Schwesterntracht. Einmal kam sie mit ganz glasigen Augen aus Sanchez’ Wohnung, so, als würde sie durch Kartoffelbrei laufen, und hat mich beinah umgeworfen. Jesus, hab’ ich zu mir gesagt, die Dame ist voll mit Drogen. Sie...«
Ich unterbrach Rice. »Verkauft Sanchez Drogen?« fragte ich.
»Und ob!« sagte Rice. »Er ist der größte Pusher im San Gabriel Valley. Ich hab’ schon ’ne Menge Ausgeflippte aus seinem Schuppen kommen sehen, als ob sie schwebten. Er selbst nimmt das Scheißzeug nicht und er hat’s auch nicht in Medina versteckt. Ich hab’ schon viele junge Kerle reden hören, was er für ’n cleverer Macker ist. Wenn Sie mich fragen, Abschaum wie Sanchez sollte man gleich auf den elektrischen Stuhl schicken.«
Ich dachte über die jüngste Information nach. »Haben Sie mit den Bullen darüber gesprochen, Randy?« fragte ich.
»Teufel nein, geht mich ja nichts an. Sanchez hat die Harris nicht kalt gemacht, das war irgendein Verrückter. Das ist klar. Ich muß an meinen Job denken. Ich muß in Medina die Post austragen. Was Sanchez macht, ist nicht mein Bier.«
»Ist Sanchez ’n harter Brocken, Randy?«
»Er sieht nicht hart aus, nur ölig. Mexikanisch - schlau.«
»Wo wohnt er?«
»311, Medina, Nummer 61.«
»Lebt er allein?«
»Ich glaube.«
»Beschreiben Sie ihn mir doch, bitte.«
»Also, 1,73, 125 Pfund, dünn, Entenschwanzfrisur. Trägt immer Khakisachen und ein lila Seidenjackett mit ’nem Wolfskopf auf dem Rücken, sogar im Sommer. Ich schätze, er ist
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