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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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die Kacke nicht von Kakao unterscheiden konnten. Daß ich Leuten das Leben verlängern würde, die tot besser dran wären. Im letzten Semester habe ich aufgehört.«
    Ich lachte. Michael auch. Beim Lachen kletterte Michaels frühreife, tiefe Stimme um gut zwei Oktaven nach oben. »Erzähl ihm von dem toten Pferd, Dad.«
    »Das ist seine Lieblingsgeschichte«, lachte Harris. »Nun, ich hatte in dieser Zeit etwas laufen. Ich kannte ein paar Gangster, denen eine Flüsterkneipe gehörte. Ein wahrhaft drittklassiger Schuppen, in dem die ganzen feinen Burschen von der Uni rumhingen. Billiger Schnaps und noch billigeres Essen. Der Laden zeichnete sich durch eins aus: große, saftige Steaks für 25 Cents. Sirloin Steaks in Zwiebeln und Tomatensoße gebrutzelt. Ha! Es waren keine Steaks, es waren Pferdefilets. Ich war der Metzger. Ich fuhr mit ’nem Kumpel übers Land und stahl Pferde. Wir lockten die Mähren mit Zucker und Hafer auf unseren Lastwagen, dann fuhren wir zurück in die Stadt in ein Lagerhaus, wo wir den Mähren kleine Dosen Morphin injizierten, die ich gestohlen hatte. Dann schnitt ich ihre Halsschlagadern mit einem Skalpell auf. Mein Partner machte dann die eigentliche Schmutzarbeit, ich hatte keine Nerven dafür. Er war auch der Koch.
    Jedenfalls, im weiteren Verlauf gingen die Geschäfte schlecht. Die Besitzer versuchten, mich um meine Fangprämie zu prellen. Zu der Zeit etwa entschloß ich mich, das Medizinstudium sausen zu lassen. Ich entschloß mich, stilvoll auszusteigen. Ich wußte, die Schlitzohren würden mich nie bezahlen, also entschloß ich mich, sie ordentlich in die Scheiße zu tauchen. Eines Abends war ein privates Fest in der Kneipe. Mein Kumpel und ich holten uns zwei halbtote Mähren, luden sie auf den Lastwagen und parkten rückwärts vor dem Eingang des Ladens ein. Auf das verabredete Zeichen ging die Tür auf, und die Mähren rannten rein. Mein Gott! Was für ein Anblick! Kaputte Tische, schreiende Leute, zerbrochene Flaschen überall! Ich sah zu, daß ich aus der Stadt und aus Illinois kam und ging nie wieder dahin.«
    »Wohin sind Sie gegangen?« fragte ich.
    »Ich ging auf die Walz«, sagte Harris. »Waren Sie jemals auf der Walz, Fred?«
    »Nein, Doc.«
    »Hätten Sie tun sollen. Sehr lehrreich.«
    Das war eine Herausforderung, die ich annahm. »Ich war zu sehr damit beschäftigt, etwas zu werden - was besser ist als herumzustreunen, stimmt’s, Michael?« Ich drückte die Schultern des Jungen, und er strahlte mich an.
    »Stimmt!«
    Doc tat so, als hätte ihn das amüsiert, aber wir wußten beide, daß der Fehdehandschuh geworfen war.

    Wir nahmen im Inneren des Tiny Naylor Drive-Ins an der Ecke Beverly und Western Platz. Es war klimatisiert, und als wir unsere langen Beine unter den Tisch streckten, schienen Michael und Doc vor Erleichterung zusammenzubrechen.
    Michael setzte sich neben mich, Doc uns gegenüber. Wir bestellten uns Malzbier. Als es kam, spülte Michael seines in drei Sekunden runter, dann rülpste er und schaute bittend seinen Vater an, ob er noch eines bestellen dürfte. Doc nickte nachsichtig, und die Kellnerin brachte noch ein Glas mit dem klebrigen, braunen Zeug. Dieses ließ Michael in etwa fünf Sekunden reinlaufen, dann rülpste er und grinste mich an wie ein zufriedener Liebhaber.
    »Michael, wir müssen uns über deine Mutter unterhalten«, sagte ich.
    »Okay«, sagte Michael.
    »Erzähl mir was über die Freunde deiner Mutter«, sagte ich.
    Michael schnitt eine Grimasse. »Sie hatte keine«, sagte er. »Sie war eine lose Barhockerin.«
    Ich schnitt eine Grimasse, und Michael sah Doc um Bestätigung an. Doc nickte grimmig.
    »Wer hat dir das erzählt, Michael?« fragte ich.
    »Niemand. Ich bin doch nicht blöd, ich wußte, daß Onkel Rim und Onkel George und Onkel Bob und Onkel Sowieso nur Kerle waren, die sie aufgelesen hatte.«
    »Was ist mit Freundinnen?«
    »Sie hatte keine.«
    »Schon mal was von einer Frau namens Alma Jacobsen gehört?«
    »Nein.«
    »War deine Mutter mit Eltern deiner Freunde befreundet?«
    Michael zögerte. »Ich habe keine Freunde.«
    »Überhaupt keine?«
    Michael zuckte die Achseln. »Die Bücher, die ich lese, sind meine Freunde. Minna ist meine Freundin.« Er zeigte auf den jungen Hund, der draußen an einen Telefonmasten gebunden war.
    Ich wälzte diese traurige Nachricht in meinem Kopf. Michael lehnte seine Schulter gegen mich und sah sehnsuchtsvoll auf mein halbvolles Glas Malzbier.
    »Zieh’s rein«, sagte ich.
    Was er dann

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