Heimlich
ich in die schattige, baumbestandene Sweetzer Avenue in West Hollywood, mit dem erwarteten Ergebnis: Im Gebäude Nr. 618, einem Wohnhaus im spanischen Stil ohne Fahrstuhl, konnte sich niemand an die rothaarige Krankenschwester und ihren kleinen Sohn erinnern. Ich fragte in der Nachbarschaft an und erhielt nur ratloses Kopfschütteln als Antwort. Marcella, die Null.
In der Terra Cotta Avenue in Pasadena dasselbe Ergebnis. Dort hatte Marcella ein Haus gemietet, und der jetzige Mieter sagte mir, der vorherige Hausbesitzer wäre vor zwei Jahren gestorben. Die Leute in den umliegenden Wohnblocks konnten sich nicht an Marcella und ihren kleinen Jungen erinnern.
Von Pasadena fuhr ich ins nahe Glendale. Es war heiß und dunstig. Ich hakte 1949 schnell ab: Die Bungalow-Anlage, in der Marcella in jenem Jahr gewohnt hatte, war kürzlich abgerissen worden, um für einen modernen Appartment-Komplex Platz zu schaffen. »Marcella Harris, gutaussehende, rothaarige Krankenschwester Ende Dreißig mit einem dreijährigen Sohn?« fragte ich zwei Dutzend Anwohner in der Howard Street. Nichts. Marcella, das Phantom.
Ich nahm den Hollywood Freeway nach Sherman Oaks. In der Nähe der Ausfahrt zeigte mir ein Tankstellenwächter den Weg zum Hibiscus Canyon. Nach fünf Minuten hatte ich es gefunden; das Haus lag am Wendeplatz am Ende einer kurvenreichen Straße und war von entsprechend riesengroßen Hibiskusbüschen umsäumt. Nummer 9619 war ein viergeschossiges Haus ohne Aufzug im Stil eines Miniatur-Maurenschlosses.
Ich parkte den Wagen, und als ich gerade die Straße überquerte, sahen meine Augen gebannt auf ein Schild, das im Vorgarten des Nachbarhauses steckte. »Zu verkaufen. Auskünfte erteilt Janet Valupeyk, Valupeyk Immobilien, 18369, Ventura Boulevard, Sherman Oaks.«
Janet Valupeyk. Ehemalige Geliebte von Eddie Engels. Die Frau, die Dudley Smith und ich 1951 über Engels befragt hatten. Ich spürte, wie es mich plötzlich überall kratzte. Ich ließ Nr. 9619, Hibiscus Canyon sein und fuhr statt dessen zum Ventura Boulevard.
Ich erinnerte mich gut an Janet Valupeyk. Als Smith und ich sie vor vier Jahren interviewt hatten, war sie fast im Koma gewesen.
Sie hatte sich verändert; das konnte ich sofort erkennen, als ich sie durch das Glasfenster ihres Immobilienbüros sah. Sie saß an einem Schreibtisch aus Metall, der in der Nähe des Fensters stand, hantierte mit Papier und rauchte nervös eine Zigarette. Während der vier Jahre, in denen ich sie nicht mehr gesehen hatte, war sie um zehn Jahre gealtert. Ihr Gesicht war eingefallen, und ihre Haut war kalkweiß geworden. Eine Augenbraue zuckte nervös, während sie mit ihrem Papierkram zugange war.
Ich konnte sonst niemand in dem Büro erkennen. Ich trat durch eine Glastür ein, die beim Öffnen kleine Glocken in Gang setzte. Bei dem Geräusch fuhr Janet Valupeyk beinahe aus ihrer Haut. Sie ließ ihren Stift fallen, ebenso ihre Zigarette.
Ich tat so, als hätte ich das nicht bemerkt. »Miss Valupeyk?« fragte ich unschuldig.
»Ja. Mein Gott, diese gottverdammte Glocke! Ich weiß nicht, warum ich die habe reinmachen lassen. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich interessiere mich für das Haus im Hibiscus Canyon.«
Janet Valupeyk lächelte nervös, drückte ihre Zigarette aus und zündete sich sofort eine neue an. »Das ist ein tolles Haus«, sagte sie. »Ich hol’ Ihnen mal die Unterlagen.«
Sie ging von ihrem Schreibtisch zu einem Metallschrank, öffnete die oberste Schublade und kramte in den Ablagemappen. Ich ging zu ihr hin und sah zu, wie ihre nervösen Finger durch Akten gingen, die nach Straßennamen und Hausnummern geordnet waren. Sie fand Hibiscus Canyon und murmelte: »9621, 9621, wo zum Teufel steckt es denn?«
Meine Augen waren auf die Hausnummern fixiert, und als Nr. 9619 auftauchte, faßte ich mit der Hand in den Schrank und riß die Akte an mich.
Janet Valupeyk sagte: »He, was zum Teufel -!«
Ich schrie sie an: »Halten Sie den Mund! Oder die Leute vom Rauschgiftdezernat werden in fünfzehn Minuten hier sein!« Es war ein Schuß ins Dunkel, aber er traf: Janet Valupeyk brach in ihrem Stuhl zusammen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ich ließ sie heulen und jagte durch die Akte.
Die Mieter waren in zeitlicher Reihenfolge aufgelistet, zusammen mit den Mietbeträgen, die sie gezahlt hatten. Das Mieterverzeichnis ging zurück bis ins Jahr 1944, und als ich es durchblätterte, schoß mir das Blut in den Kopf und mein Blickfeld bekam schwarze Ränder.
»Wer
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