Heimlich
gemachte Frau. Klingt das einleuchtend, Fred?«
»Vollkommen, Doc. Einsame Menschen machen die komischsten Sachen.«
Harris lachte. »In der Tat. Was machen Sie denn so privat, Fred?«
Ich paßte mein Lachen vollkommen dem von Harris an. »Ich bin hinter Frauen her. Und Sie?«
»Mir hat man das auch nachgesagt«, lachte Doc.
Ich wurde wieder ernst. »Doc, kann ich mit Ihrem Sohn darüber reden? Ich glaube schon, daß Ihre Theorie schlüssig ist, aber ich möchte in meinem Bericht alles hieb- und stichfest haben. Vielleicht kann mir Ihr Sohn etwas sagen, das diese Jacobsen endgültig der Lüge überführt. Ich werde ihn nicht hart anfassen.«
Doc Harris dachte über meine Bitte nach. »Okay, Fred. Ich glaube, Michael ist mit dem Hund oben im Park. Warum gehen wir nicht hin und reden mit ihm? Es ist nur zwei Blocks von hier.«
Es waren drei, und es war auch kein richtiger Park; es war nur ein unbebautes Grundstück, das mit Unkraut überwuchert war. Doc Harris und ich unterhielten uns ungezwungen, als wir auf der Suche nach Michael und seinem Hund durch das kniehohe Gras stapften.
Als wir sie dann fanden, stolperten wir fast über sie. Michael Harris lag rücklings auf einem Badetuch, seine Arme waren in einer Kreuzigungspose ausgestreckt. Der junge Beagle, den ich im Hof an der Maple Street in El Monte gesehen hatte, kaute Gras neben ihm.
»Mach Männchen, Colonel!« polterte Harris fröhlich.
Michael Harris stand auf, ohne zu lächeln, und wischte sich Gras von seinen Jeans. Als er aufgerichtet vor mir stand, war ich verblüffter war fast so groß wie ich. Der Junge sah nervös seinen Vater an, dann mich. Einen Augenblick lang stand die Zeit still, als ich mir einen anderen neunjährigen, mächtig intelligenten Jungen mit braunen Haaren ins Gedächtnis rief, der auf dem traurigen Hinterhof eines Waisenhauses spielte. Es war über zwanzig Jahre her, aber ich mußte mich zwingen, in die Gegenwart zurückzukehren.
»... und das ist Mr. Walker, Colonel«, sagte Doc Harris. »Er vertritt eine Versicherungsgesellschaft. Die wollen uns Geld zukommen lassen, aber da gibt es eine verrückte alte Frau, die behauptet, deine Mutter hätte es ihr versprochen. Das können wir doch nicht zulassen, Colonel, oder?«
»Nein«, sagte Michael leise.
»Gut«, sagte Harris. »Michael, willst du mit Mr. Walker reden?«
»Ja.«
Ich fing an, mir kontrolliert und manipuliert vorzukommen. Doc Harris’ Benehmen war nervtötend. Der Junge war eingeschüchtert, und auch ich kam mir allmählich so vor. Ich hatte das Gefühl, Harris merkte, daß ich nicht echt war. Intellektuell waren wir uns ebenbürtig, aber er hatte bis jetzt den stärkeren Willen, und das ärgerte mich. Wenn ich nicht mit Bestimmtheit auftrat, würde ich nur erfahren, was Harris mich wissen lassen wollte.
Ich hieb Harris kräftig auf den Rücken. »Mein Gott«, sagte ich, »ist das heiß hier! Unten an der Western Avenue hab’ ich einen Drive-In-Imbiß gesehen. Warum gehen wir nicht dahin und holen uns ein paar Limos? Ich lade Sie ein.«
»Au ja, Dad?« bat Michael. »Ich komme um vor Durst.«
Doc verlor seine beträchtliche Selbstbeherrschung keine Sekunde lang. Er hieb mich genauso kräftig auf den Rücken. »Gehn wir, Amigos«, antwortete er.
Wir gingen die vier Blocks in der heißen Sommersonne, drei Generationen amerikanischer Männer, die in Dunkelheit und Täuschung vereint waren. Der Hund trabte hinter uns her und hielt oft an, um interessanten Düften nachzugehen. Ich ging in der Mitte, Doc zu meiner Linken auf der Straßenseite. Michael ging zu meiner Rechten, und wegen der Hecken, die an den Häusern des Beverly Boulevards entlangliefen, drückte er seine Schulter an meine. Er neigte sich zu mir rüber und schien den Kontakt zu genießen.
Ich befragte Doc wegen seines Spitznamens, und er lachte und sagte: »Medizinstudium abgebrochen, Fred. War mir zu blutig, zu abstrakt, zu zeitaufwendig, zu theoretisch, zuviel.«
»Wo haben Sie studiert?«
»University of Illinois.«
»Gott, das klingt schlimm. Da waren sicher ’ne Menge Bauernjungen, die Landarzt werden wollten?«
»Ja, und ’ne Menge reicher Jungen aus Chicago, die Ärzte für die High Society werden wollten. Ich paßte da nicht rein.«
»Warum nicht?« fragte ich. Es war eine Herausforderung.
»Es waren die zwanziger Jahre. Ich eckte mit meiner Meinung überall an. Mir war klar, daß ich den Rest meines Lebens damit verbringen würde, selbstzufriedene Kleinstadtdeppen zu behandeln,
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