Heimlich
sind Sie?« würgte Janet Valupeyk.
»Halten Sie den Mund!« schrie ich zum zweiten Mal.
Endlich hatte ich es gefunden. Marcella Harris hatte die Wohnung Nr. 102 im Haus Nr. 9619, Hibiscus Canyon von Juni 1950 bis September 1951 gemietet. Sie hatte zum Zeitpunkt der Ermordung Maggie Cadwalladers dort gewohnt. Neben der Auflistung waren winzige handschriftliche Kommentare zu lesen: »Mrs. Grobergs Bruder untervermieten 2. 7. 51-?« Daneben war ein Prüfvermerk in einer anderen Farbe mit den Buchstaben »O. K. - J. V.«
Ich legte die Akte hin und kniete mich neben die zitternde Janet Valupeyk. Ich schoß wieder ins Dunkel und fragte sie: »Wer hat Ihnen gesagt, Sie sollten an Marcella Harris vermieten, Janet?« Sie schüttelte heftig den Kopf. Ich hob die Hand, um sie zu schlagen, dann zögerte ich und schüttelte statt dessen ihre Schultern. »Sagen Sie’s gottverdammt noch mal, oder ich schaffe Ihnen den großen Ärger ins Haus!«
Janet Valupeyk zitterte von Kopf bis Fuß. »Eddie«, sagte sie. »Eddi, Eddie, Eddie.« Ihre Stimme war sehr leise.
Meine auch, als ich sagte: »Eddie wer?«
Janet sah mich zum ersten Mal genau an. »Ich ... ich kenne Sie«, sagte sie.
»Welcher Eddie?« schrie ich und packte sie wieder an den Schultern.
»Eddie Engels. Ich... ich kenne Sie. Sie -«
»Aber Sie hatten sich von ihm getrennt.«
»Ich gehörte ihm noch immer. O Gott, wie ich ihm gehörte!«
»Wer ist Mrs. Groberg?«
»Ich weiß nicht. Ich erinnere mich nicht.«
»Lügen Sie mich nicht an, Marcella Harris ist tot! Wer hat sie umgebracht?«
»Ich weiß es nicht! Sie haben Eddie umgebracht!«
»Schnauze! Wer ist Mrs. Groberg?«
»Sie wohnt in Nr. 9619. Sie ist eine gute Mieterin. Sie würde niemand etwas zu...«
Das Ende des Satzes bekam ich nicht mehr mit. Ich ließ sie ihrer Vergangenheit nachweinen. Ich rannte zu meinem Wagen und stürzte mich in meine eigene.
Fünf Minuten später hatte ich am Ende der Sackgasse des Hibiscus Canyon geparkt. Ich rannte die Straße hinunter zu dem maurischen Wohnhaus, riß die Bleiglastüre auf und warf einen Blick auf die Briefkästen in der Eingangshalle. Mrs. John Groberg wohnte in Nr. 419. Ich nahm zwei Stufen auf einmal, bis in den vierten Stock. Durch die Türe hörte ich eine Quizsendung im Fernsehen dröhnen. Ich klopfte. Keine Antwort. Ich klopfte noch einmal, dieses Mal lauter. Ich hörte leises Fluchen, das Fernsehgerät wurde leiser gestellt.
Eine mürrische Stimme rief durch die Tür: »Wer ist da?«
»Polizei, Gnädigste«, rief ich, indem ich bewußt Jack Webb von »Dragnet« imitierte.
Kichern war die Antwort auf meine Ankündigung. Augenblicklich flog die Tür auf, und ich stand den bewundernden Blicken einer alten Klatschtante gegenüber. Ich taxierte sie schnell als Verbrechensspezialistin und legte meine Rolle entsprechend an.
Bevor die Frau mich nach meiner nicht vorhandenen Marke fragen konnte, sagte ich sehr bestimmt: »Gnädigste, ich brauche Ihre Hilfe.«
Sie fummelte an ihrem Morgenrock und an ihren Lockenwicklern herum. Sie war schon weit über fünfzig. »J-ja, Officer«, sagte sie.
»Madam, eine ehemalige Mieterin in diesem Haus wurde kürzlich ermordet. Vielleicht haben Sie davon gehört; Sie sehen aus wie eine Frau, die auf dem laufenden ist.«
»Nun, ich -«
»Sie hieß Marcella Harris.«
Die Frau fuhr sich mit den Händen an die Kehle. Sie war erregt, und ich verstärkte ihre Furcht: »Das stimmt, Mrs. Groberg, sie wurde erwürgt.«
»O nein!«
»O doch, Madam.«
»Nun, ich -«
»Madam, dürfte ich wohl reinkommen?«
»O ja, Wachtmeister.«
Die Wohnung war heiß, stickig und mit Möbeln überladen. Ich nahm neben Mrs. Groberg auf dem Sofa Platz, um besser bohren zu können.
»Die arme Marcella«, sagte sie.
»In der Tat, Madam. Kannten Sie sie gut?«
»Nein. Um die Wahrheit zu sagen, ich mochte sie eigentlich nicht. Ich glaube, sie war eine Trinkerin. Aber ich war hingerissen von ihrem kleinen Jungen. Er war so ein süßer Bengel.«
Ich ließ ein wenig Hoffnung schimmern: »Dem Jungen geht es gut, Mrs. Groberg. Er lebt jetzt bei seinem Vater.«
»Gott sei Dank.«
»Ich habe herausgefunden, daß Marcella ihre Wohnung im Sommer 1951 an Ihren Bruder untervermietet hat. Erinnern Sie sich daran?«
Mrs. Groberg lachte. »Und ob! Ich hab’ das angezettelt, und das war ein Fehler! Mein Bruder Morton hatte Alkoholprobleme, genau wie Marcella. Er kam aus Omaha, um bei Lockheed zu arbeiten und trocken zu werden. Ich hab’ ihm das
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