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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Spülbecken, in dem kein Geschirr stand, ein Kühlschrank, der nichts als Sprudelflaschen enthielt, und ein Kalender des Jahres 1950 an der Wand, auf dem keinerlei Notizen waren.
    Blieb also nur das Badezimmer. Vielleicht schlug Eddie da über die Stränge. Vielleicht war die Badewanne voller Nixen oder Alligatoren. Wieder Pech gehabt - das Badezimmer war rosarot gekachelt, makellos sauber, mit einem riesigen Spiegel über dem Waschbecken und einem auf der Innenseite der Tür. Eddie, der Narziß.
    Oberhalb des Klos war ein Medizinschränkchen. Ich öffnete es und dachte, dort Zahnpasta und Rasierzeug vorzufinden, fand aber statt dessen ein halbes Dutzend kleiner Fächer, die zusammengerollte Krawatten enthielten. Eddie, der Pfau, brauchte einen Spiegel in voller Körpergröße, um sich einen perfekten Windsorknoten zu binden. Ich fuhr mit der Hand über die Seidenkollektion, die nach Farbe und Stilrichtung arrangiert war. Welch eine Ordnungsmanie; welch eine Manie für kleine Perfektionen. Dann bemerkte ich eine ganz kleine Anomalie - eine grüne Seidenkrawatte ragte etwas weiter heraus als die anderen. Ich befingerte sie und spürte etwas Hartes darin. Ich holte die Krawatte raus und entrollte sie vorsichtig. Maggie Cadwalladers Diamantenbrosche fiel in meine Hand.
    Schockiert starrte ich sie lange Augenblicke an. Nach ungefähr einer Minute war meine Ruhe verflogen, und mein Hirn fing an zu rattern. Ich rollte die Brosche wieder in die Krawatte und legte sie in das kleine Schränkchen, genauso, wie ich sie vorgefunden hatte. Ich löschte das Licht im Badezimmer, ging durch die dunkle Wohnung zur Tür und verschloß sie hinter mir. Ich überprüfte den Türrahmen, ob irgendwelche Zeichen des Einbruchs zu erkennen waren. Es gab keine.
    Alle Lichter im Hof waren ausgeschaltet. Ich stand eine kurze Zeit da, dachte über das Wunder der Nacht nach und was ich gerade entdeckt hatte, dann ging ich um die Bungalows herum. Hinter den Bungalows schützte ein Wellblechdach die Autos der Mieter. Das Auto, das am Ende der Reihe im Mondlicht schien, war ein hellroter 49er Ford mit weißem Verdeck. Ein Fuchsschwanz baumelte von der Radioantenne. Ich versetzte ihm einen Fingerhieb.
    »Du hast Maggie Cadwallader und Gott weiß wen umgebracht, du verkommenes Dreckschwein«, sagte ich, »und ich werde zusehen, daß du dafür bezahlst.«

9
    Mein Fall. Mein Verdächtiger. Meine Rache? Meine Verhaftung? Mein Ruhmesblatt? All diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich am folgenden Tag über die sonnenüberflutete Central Avenue ging.
    Eine Entscheidung war fällig, und ich würde entweder rational handeln oder wie Don Quichotte. Ich dachte noch etwas mehr über meine Möglichkeiten nach, und als meine Tour zu Ende war, traf ich eine Entscheidung - eine dürftige, aber eine sichere. Ich zog die Uniform aus und meine Zivilklamotten an. Dann klopfte ich an Captain Jurgensens Tür.
    »Herein«, rief er. Ich ging hinein und salutierte. Jurgensen machte ein Eselsohr in die Taschenbuchausgabe von »Othello« und schaute mich an. »Ja?« sagte er.
    »Sir«, sagte ich, »ich weiß, wer die Frau getötet hat, die letzte Woche in Hollywood erwürgt aufgefunden wurde. Kann sein, daß er auch andere getötet hat. Ich kann die Festnahme nicht allein machen. Ich muß meine Beweismittel jemandem übergeben, der eine Untersuchung veranlassen kann, deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
    »Verderben, hol meine Seele«, sagte Jurgensen, dann seufzte er und zog eine Pfeife und einen Tabaksbeutel aus seiner Tischschublade. Ich stand in »Rührt-euch!«-Stellung da, während er sich Zeit nahm, die Pfeife zu stopfen und sie anzuzünden. Er schien vergessen zu haben, daß ich da war. Ich wollte mich gerade räuspern, als er sagte: »Um Himmels willen, Underhill, setzen Sie sich, und erzählen Sie es mir.«
    Nach der elektrischen Uhr an der Wand brauchte ich insgesamt zwanzig Minuten.
    Ich ließ nichts aus, abgesehen von meiner Liebesnacht mit Maggie Cadwallader. Ich erzählte ihm von den Ähnlichkeiten zwischen den beiden Morden. Ich erzählte ihm, daß ich vergangenen Februar die Streichhölzer in Leona Jensens Wohnung entdeckt hätte und daß das die Verbindung wäre, die mich in den »Silver Star« geführt hätte. Die Geschichte mit der Diamantbrosche verschwieg ich.
    Im Verlauf meiner Erzählung beobachtete ich, wie Jurgensens normalerweise stoischer Gesichtsausdruck zwischen Neugierde, Wut und einer Art bitterem Amüsement schwankte. Als ich geendet

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