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Heimliche Helden

Heimliche Helden

Titel: Heimliche Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Draesner
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Vielleicht zum Sprachding. Und sind doch Person. Nichtding. Auch nicht Sprache. Aber »ich« oder »du«. Also durch Sprache? Ist Sprache »ich«, ist Sprache »du« ein Ding, so fühle ich vielleicht zum ersten Mal, was ich damit tue, wenn ich von dir als »du« rede. »Du«, wie ein Ding, eingestellt in meinen Raum, einem Tisch gleich, und mich stelle ich dazu. Benennung und ihre Tücken! Von ihnen versucht das Gedicht zu handeln. Es entgeht ihnen dabei selbst nicht, scheitert insofern, indem es gelingt, hinterlässt einen Stachel.
    Vor allem in seinem schon fast lakonisch mehrdeutigen Ende. In der Konsequenz des Gedankens, dass jeder, der spricht, eine sprachgemachte Form ist, wie ein Ding, und sich zugleich davon unterscheiden will, auch wenn das vor keiner Vergänglichkeit hilft, denn es überleben die Formen, nicht die Inhalte, leert das Gedicht sich auf sein Ende hin selbst von Rosen, Schnee und anderem lyrischen Altinventar. Es bleiben »die Leere und das gezeichnete Ich«, in einfach-komplexer Ambivalenz. Wer dächte nicht sofort: das Ich mit einem Mal. Das mit einem Zeichen versehene Ich. Aber auch das hingezeichnete Ich – eben jenes, das der Dichter entworfen hat. Oder ein anderer, aus der Leere. Die das Ich mit sich zeichnet. Denn gezeichnet mag das Ich von der Leere im doppelten Sinn sein: Sie hat es gemacht. Und sie bezeichnet es: ein Ich, das selbst nicht leer ist, weil es eben ein Zeichen trägt, auch wenn es das Zeichen der Leere ist. So füllt sich das Ich an der Leere. Ein wahrhaftiges Paradox, das Benn in sechs Worten präzise und meisterlich unauflösbar fasst – sowie entlässt.
    Auf den Leser zu.
    Mitsamt seinen Rosen. Kein Dichter kommt leicht von seinen Grundwörtern los. Zu glauben, dass Benn nicht spürte, was andere an dem Wort und/oder Ding ›Rose‹ störte, wäre absurd. Er wusste sehr genau davon, und versuchte dennoch, es einzusetzen. Zu erkennen ist hier das Nicht-glauben-Können des Dichters, dass das Ding ›Rose‹, das so anziehend ist, und das Wort, das wir dafür verwenden, derart auseinanderfallen in ihrer Brauchbarkeit. Brauchbarkeit der Menschensprache, des Menschendaseins – ein Rilkesches Thema. Das auch bei Benn immer wieder erscheint: in Wörtern, denen er Lebendigkeit abzutrotzen versucht jenseits der Krusten, mit denen der alltägliche Wortgebrauch sie überzogen hat.
    Wie lässt sich, was eine Rose ist, in ein Gedicht übersetzen, das als Sprachgebilde immer Teil jenes Raumes bleibt, in dem die Pronomen ›ich‹ und ›du‹ bereits am Tisch sitzen? Das »Ich« im Gedicht ist, wie sich bei Benn deutlich sehen lässt, gleichwohl nicht Ursache des Textes, sondern sein Ereignis. Dichtendes und gedichtetes Subjekt, zu einem Regelkreis verschaltet, finden sich weder eindeutig identisch noch eindeutig nicht identisch, sondern reziprok generativ miteinander verbunden. Wobei im Gedicht sowohl Text als auch Subjekt Ereignisse in Sprache sind, wie das Subjekt, das da schreibt, ebenfalls, wenn auch nicht exklusiv: denn es ist ein Subjekt mit einem Körper aus Fleisch und Blut, den der Text und sein Ich nicht besitzen, in der Vorstellung des Lesers aber gewinnen.
    Sprachliebe
    Der Lust an Grenze und Entgrenzung folgt in dem Gedicht Verzweiflung der (alternde) Körper, der dem Ich doch immer schon vorausging, als (böse) Überraschung von hinten her noch einmal nach: Schönheitspflege, Melancholie und Bissigkeit holen es ein, der helle Tag, die Regeln der Bürgerlichkeit und ihres Verkehrs.
    Was du in Drogerien sprachst
beim Einkauf von Mitteln
oder mit deinem Schneider
außerhalb des Maßgeschäftlichen –
was für ein Nonsens diese Gesprächsfetzen,
warst du da etwa drin? 70
    Nonsens. Gesprächsfetzen. Grundsätzliches. Wie viel wurde gesagt, was bleibt? Dass ein Dichter die Sprache liebt, versteht sich. Dass er über sie schreibt, wohl ebenso. Benn dachte in brillanten Essays über die zeitgenössischen Bedingungen und Möglichkeiten von Gedichten, die Lebensumstände und Voraussetzungen des Dichters nach. Ab und an wandert dieses Denken auch in ein Gedicht; dort verändert es sich. Die Verse spotten – »was du in Drogerien sprachst«, beschwören, nehmen Abschied, setzen Zäsuren. Über die Macht des Wortes spricht Benn im Gedicht ironisch, zweifelnd oder aus sehnsüchtiger Erinnerung, im Liebesgestus der Verlorenheit:
    Manchmal noch denkst du dich – : die eigene Sage – :
das warst du doch – ? ach, wie du dich vergaßt!
war das dein Bild? war das nicht deine

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