Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
sich in ihrer Hochzeitsnacht gebärden würde, vermischte sich mit dem unangenehmen Gefühl, dass der leise Kopfschmerz, der sie seit Stunden quälte, immer stärker wurde.
Zunächst überlegte sie, ob sie Polly bemühen sollte, ihr Tee und etwas Toast zu bringen. Da sie jedoch dank der eigenen jahrelangen Erfahrungen mit den Dienstboten mitfühlen konnte und niemanden aus dem Bett holen wollte, nur weil sie es am Tage versäumt hatte zu essen, sah sie davon ab, an der Klingelschnur zu ziehen.
Niemand konnte ihr verbieten, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Vornehme Häuser unterschieden sich kaum in der Verteilung der Räume auf die entsprechenden Stockwerke und Flügel. Sie durfte davon ausgehen, dass sich oben die Privatgemächer und Schlafzimmer der Herrschaften befanden, ganz unten die Küchen- sowie die Gesinderäume im Osttrakt. Es war durchaus möglich, dass ihr Gemahl sie um diese vorangeschrittene Stunde nicht mehr zu besuchen beabsichtigte. Und falls doch, würde sie sich beeilen und zurück sein, ehe er in ihr Zimmer kam. Rasch erhob sie sich aus dem Bett, ging auf Zehenspitzen zur Tür und drehte vorsichtig den Türknauf. Sie schlich den Flur entlang und nahm die Treppe hinunter in die Halle.
Abwesend blickte Marcus in sein Brandyglas. Er sollte längst oben sein und zu seiner Gattin gehen, statt in der Bibliothek zu sitzen und sich Mut anzutrinken.
Er schenkte sich nochmals ein und leerte das Glas in einem Zug. Seine zweite Vermählung hatte er sich wahrhaftig anders vorgestellt. Er war nicht in der Stimmung, mit einer Frau das Bett zu teilen, erst recht nicht mit dem seltsamen grauen Mäuschen, dass gestern erst auf seiner Türschwelle erschienen war.
Überdies hätte er längst einige grundsätzliche Entscheidungen treffen müssen, aber die Ruhe, die ohne seine Mutter im Hause herrschte, war so angenehm, dass es ihm schwerfiel, seine Pflichten wieder aufzunehmen. Zuerst würde er sich um das Anwesen kümmern und die alte Ordnung wiederherstellen. Dann musste er etwas in der Sache St. John unternehmen, denn ihr Waffenstillstand war nicht von Dauer. Er musste ein Arrangement mit ihm treffen, damit sie sich nicht bei nächstbester Gelegenheit an die Kehle gingen. Marcus hegte nicht wirklich den Wunsch, seinen eigenen Bruder vor die Tür zu setzen, wenn es indes keine andere Lösung gab, musste er es tun.
Er hätte freiwillig niemals eine Gemahlin nach Haughleigh Grange gebracht, solange hier ein so unsägliches Durcheinander herrschte. Doch jetzt hatte sich eine Frau ihr Dasein an seiner Seite erzwungen, woraus sich eine weitere Schwierigkeit ergab, mit der es umzugehen galt. Bislang war er, wie er zugeben musste, recht ungeschickt in dieser Sache verfahren. Obwohl es nicht Mirandas Aufgabe gewesen war, eine Hochzeitsfeier zu arrangieren, und sie für die Zustände in seinem Haus nicht verantwortlich gemacht werden konnte, hatte er sie unwirsch angefahren. Obendrein war er so töricht gewesen, sich von St. John zu diesem ungebührlichen Kuss in der Kapelle herausfordern zu lassen. Ihre Miene während des Hochzeitsfrühstücks hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihn für einen Flegel hielt.
Und nun versteckte er sich mit einer Flasche Brandy in der Bibliothek, anstatt seinen Pflichten als Ehemann nachzukommen und sich bei ihr für sein schlechtes Benehmen zu entschuldigen. Dabei hinderte übermäßiger Genuss von Alkohol ihn daran, seine Aufgabe zu erfüllen.
Auf jeden Fall stimmte ihn der Brandy unbekümmerter, was sich bei dem Vorhaben, eine Frau zu entjungfern, als ungünstig herausstellen konnte. Denn es bedurfte einer gehörigen Portion Feingefühl, in seiner Gemahlin leidenschaftliche Gefühle zu erwecken und sie auf den Liebesakt vorzubereiten, damit sie diese erste Nacht in guter Erinnerung behielt – falls sie noch Jungfrau war. Es würde ihn nicht wundern, wenn nicht. Uneskortiert aus London hierherzureisen hätte sich eine junge Dame, die um ihren guten Ruf besorgt war, niemals geleistet. Zweifel waren also berechtigt. Im Grunde wusste er nichts über sie, außer dass seine Mutter ihrer Familie ein Unrecht zugefügt hatte. Er musste dieser Angelegenheit unbedingt auf den Grund gehen.
Er lächelte. Miranda sitzt bestimmt in einem hochgeschlossenen Nachthemd und mit Nachthaube aufrecht im Bett und wartet darauf, dass ich komme, dachte er und nahm die Flasche zur Hand, um sich einen letzten Brandy einzuschenken.
Ich werde mir einen Hausmantel anziehen, um sie
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