Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
aber kaum ihr Essen auf ihrem Teller angerührt hatte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch zu ihrem Verdruss hinderte sie ein Schluckauf am Sprechen. Erschrocken ob des wenig damenhaften Lauts, fuhren die Winslows zusammen, und der Duke bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick. Sie entschuldigte sich leise und hinderte den Lakaien daran, ihr Glas zum vierten Mal aufzufüllen.
Kurze Zeit später nahm ihr Mann die Serviette vom Schoß und warf sie neben seinen Teller auf den Tisch, um das Finale einzuläuten. Er erhob sich und schritt mit einer derart finsteren Miene auf den Vikar zu, dass jeder im Raum glauben musste, er habe vor, den Mann zu meucheln. Langsam fuhr er mit seiner Hand in die Rocktasche, worauf Reverend Winslow leicht die Schultern einzog, als warte er darauf, von einer Pistole niedergestreckt zu werden. Indes kam nicht die befürchtete Waffe zum Vorschein, sondern ein dicker Umschlag mit Banknoten. Marcus ließ ihn neben den Teller des Geistlichen fallen. „Vielen Dank für Ihre Hilfe in dieser Angelegenheit, Reverend, Mrs. Winslow. Guten Tag.“
Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte, ohne sich von der Stelle zu rühren, auf das Haupt des vor ihm sitzenden Vikars. Miranda musste sich insgeheim eingestehen, dass es ihr lieber war, wenn er sich im Ton vergriff. Der Effekt, den er mit dieser stummen Geste erreichte, beeindruckte sie dennoch. In weniger als einer Minute hatte der selbstbewusste und überhebliche Mann Gottes sich in einen unterwürfigen Untergebenen verwandelt. Flink griff er nach dem Kuvert, und ehe Miranda es sich versah, eilten er und seine Frau zur Tür. Und nachdem sie sich, wie sie hoffte, nicht zu umständlich erhoben hatte, um den beiden zum Abschied zuzunicken, entschwanden sie ihrem Blickfeld. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, dass ihr Gemahl sich ebenfalls anschickte, das Zimmer zu verlassen.
„Ich hoffe, das war genug der Feierlichkeit, Madam?“ Sein Blick war nun nicht mehr finster, sondern nur noch entnervt.
„Ja, danke.“ Miranda sah ihn forschend an und fragte sich, was in ihm vorgehen mochte. Wie rasch seine Stimmungen doch wechselten!
„Sehr schön“, erwiderte er, wobei er sie betrachtete, als sähe er sie zum ersten Mal.
Sie senkte die Lider und faltete die Hände. Plötzlich kam ihr nicht nur der Ring in den Sinn, den er ihr bei der Zeremonie gegeben hatte, sondern auch sein Kuss, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie fuhr mit dem Daumen über den Goldreif und fühlte sich seltsam geborgen und aufgehoben in der Gegenwart ihres Mannes.
„Ach ja“, sagte er plötzlich. „Das hätte ich fast vergessen. Darf ich bitte meinen Ring wiederhaben?“
Entsetzt sah sie zu ihm auf.
„Ich brauche ihn. Und es wäre unschön, wenn du ihn verlieren würdest.“
„Ihn verlieren? Es ist nur so, dass …“ Ihr Blick schweifte wieder zu dem Ring, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte geglaubt, das Geschenk bedeutete ihm etwas. Aber das war wohl ein Irrtum gewesen.
Dann trafen sich ihre Blicke, und sie verlor sich in seinen Augen. Ihre gefalteten Hände lösten sich, und der Ring glitt ihr vom Finger, um klirrend zu Boden zu fallen. Seine Gnaden bückte sich und hob ihn auf, bevor er fortrollen konnte. Dann nickte er, als fühlte er sich in seiner Befürchtung, sie würde nicht achtgeben auf sein Geschenk, bestätigt. „Danke. Und nun, wenn du mich entschuldigen würdest. Wir werden uns sicher später in unseren Privatgemächern wiedersehen.“
6. KAPITEL
Miranda blickte starr zum Baldachin ihres großen Bettes hinauf und beobachtete eine Spinne, die in einer der Ecken damit beschäftigt war, ihr Netz zu vergrößern. Seine Gnaden konnte jeden Augenblick ins Zimmer kommen, um zu tun, was er als Ehemann tun musste. Und dann wäre es vorüber. Cecily hatte ihr detailliert beschrieben, welche Pflichten im Ehebett auf sie zukommen würden, doch Miranda wollte die Gedanken daran aus ihrem Kopf verbannen. Darauf, dass es das erste Mal wehtat, hatte Cecily sie hingewiesen, aber Miranda fürchtete sich nicht davor.
Sie schalt die Freundin insgeheim für ihre allzu bildhafte Darstellung, denn obwohl sie, Miranda, es nicht genau wissen konnte, ahnte sie, dass es etwas Angenehmes dabei geben musste; andernfalls würden Frauen es kein zweites Mal zulassen. Wenn der Mann liebevoll und sanft vorging, war es sicher schön, ihm so nahe zu sein.
Cecily war mit vielen Männern befreundet und hatte die
Weitere Kostenlose Bücher