Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
auch nicht, dass es genau in diesem Moment wieder zu regnen begann.
Als Kristian sie dieses Mal küsste, war ihr, als müsse sie vergehen vor lauter Glück. Zärtlich strich er ihr das nasse Haar aus dem Gesicht. Linnea spürte, wie ihre Wangen glühten, doch daran trug weder die Kälte noch der Regen die Schuld, sondern einzig und allein Kristian.
Plötzlich löste er sich von ihr. “Komm”, sagte er. “Ich will jetzt schon mit dir nach Sundsvall fahren.”
“Nach Sundsvall?” Irritiert sah sie ihn an. “Aber was …”
“Ich hatte geplant, dass wir morgen früh dorthin fahren. Ich habe dort einige Fischerhütten gekauft, die ich zu Ferienhäusern umbauen lassen will. Die wollte ich mir morgen einmal genauer ansehen.”
“Und warum willst du dann jetzt schon los? Ich meine, es ist Mittag, bis wir dort sind, wird der Abend hereingebrochen sein und …”
Sanft legte Kristian ihr einen Finger auf die Lippen. “Weil ich in Sundsvall die Nacht mit dir verbringen will”, flüsterte er.
Dann nahm er ihre Hand, und gemeinsam gingen sie los.
Annika Västarsand kochte vor Wut, als sie etwa eine Stunde später durchs Küchenfenster beobachtete, wie ihr Sohn sich zusammen mit Linnea auf den Weg nach Sundsvall machte.
Ihr schöner Plan hatte nicht funktioniert! Sie hatte extra Ina angerufen und sie hierherbestellt. Erstens war sie davon überzeugt gewesen, dass Linnea eifersüchtig werden würde, wenn sie die andere Frau sah, und zweitens hatte sie auch gehofft, Kristian könne womöglich wieder ein Auge auf seine Ex werfen.
Nun, eifersüchtig war Linnea tatsächlich geworden. Es war eine Genugtuung für Annika gewesen, die ungeliebte Schwiegertochter weinend davonlaufen zu sehen.
Doch jetzt war offensichtlich alles schon wieder in Ordnung zwischen den beiden, und Ina hatte Dvägersdal auch bereits wieder verlassen. Sie war sowieso nur gekommen, weil Annika sie inständig darum gebeten hatte. Als ihr klar wurde, dass sie benutzt worden war, um Linnea eins auszuwischen, war sie nicht gerade begeistert gewesen.
Aber noch war nichts verloren, denn es gab immer auch einen Plan B. Entschlossen ging Annika in die Diele, wo das Telefon stand. Sie hatte sich noch eine Nummer notiert. Zum Glück konnte sie zumindest einigermaßen Englisch. Das hatte sie gelernt, um Kristian besser bei seiner Arbeit unterstützen zu können – doch bislang hatte er ihre Hilfe nur in wirklichen Notfällen in Anspruch genommen. Jetzt war sie froh darüber, sich die Mühe gemacht zu haben, denn ohne diese Sprache wäre sie jetzt aufgeschmissen.
Mit leicht zittrigen Fingern wählte sie die Nummer. Doch als am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde, war es mit ihrer Unsicherheit schlagartig vorbei.
Es wäre doch gelacht, wenn auch dieser Plan nicht funktionieren sollte …
Als an diesem Nachmittag irgendwo in London ein Mann Ende fünfzig ein Telefongespräch annahm, hatte seine Sekretärin ihn bereits vorgewarnt.
“Die Dame am Telefon spricht sehr schlecht Englisch, Sir”, hatte Helen gesagt. “Ich konnte sie kaum verstehen. Aber sie sagt, sie sei die Schwiegermutter von Linnea Olander und es läge ein Notfall vor.”
Der Mann glaubte, sich verhört zu haben, und wollte das Gespräch erst gar nicht annehmen. Doch dann ließ er es einem inneren Impuls folgend doch zu sich durchstellen und hörte nun gespannt zu, was die Frau am anderen Ende der Leitung zu sagen hatte, während er durch das riesige Panoramafenster seines Büros auf die Themse schaute.
“Well”, antwortete er in seiner Muttersprache, nachdem er sich alles angehört hatte. “Mein Sohn und ich werden kommen. Ja, so schnell wie möglich.”
Er beendete das Gespräch und rief seine Sekretärin zu sich.
“Ja, bitte?”, fragte sie, als sie in der Tür seines Büros erschien. “Was kann ich für Sie tun?”
“Reservieren Sie zwei Plätze in der nächsten Maschine nach Stockholm, Helen. Mein Sohn und ich müssen morgen in Dalarna sein. Es ist wichtig.”
Helen nickte. “Sehr wohl, Mr. Banning …”
9. KAPITEL
S eit die Stadt sich nach dem großen Brand im neunzehnten Jahrhundert wie ein Phönix aus der Asche erhoben hatte, durften in Sundsvall nur noch Häuser aus Stein errichtet werden, was ihr den Beinamen
Stenstaden –
Steinstadt – einbrachte. Damals war Sundsvall, nachdem in der Umgebung Gold gefunden worden war, so etwas wie das schwedische Klondyke – heute ist es die Hauptstadt Norrlands, in der im wahrsten Sinne das Leben brodelt.
Linnea und
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