Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin
sündige.«
Sie zog wieder und schielte ein bisschen dabei.
»Beim Rauchen übers Rauchen reden ist aber doof«, sagte sie, »haben
Sie Lust, mal zum Essen zu kommen? Abends?«
»Gern. Wenn Sie mir sagen, was für einen Wein ich mitbringen darf.
Ihrer ist übrigens großartig.«
»Keinen Wein. Nur sich selbst. Morgen Abend? Oder Freitag?«
»Wann Sie wollen. Ich richte mich nach Ihnen.«
»Dann Freitag. Morgen kommt was im Fernsehen, was ich sehen will.«
Sie hatte fertig geraucht und drückte die Zigarette im Aschenbecher
aus. Dann legte sie alles wieder auf den Holzstapel unter die Dachpappe und
verabschiedete sich mit einem kleinen Winken. »Schönen Abend«, wünschte sie
mir. Ich nickte nur. Ihr Pferdeschwanz schwang hinter ihr her, als sie, nach
einem Blick auf die Uhr, in Laufschritt verfiel.
˜
Ich hatte den Fisch gebraten, weil ich hoffte, der Geruch
könnte Isso anlocken. Vielleicht war sie ja in der Nähe und wartete nur auf den
richtigen Moment, um ihren Groll zu begraben, aber ich aß alleine meinen
Fenchel, den ich zuerst in Olivenöl angebraten und dann mit Essig, Pfeffer,
Salz und einem Stäubchen von Gemüsebrühe angerichtet hatte, dann die Avocado,
dann den Salat mit herrlichem Brot vom Bäcker. Der Fisch stand da und duftete
vor sich hin. Vielleicht kann ich ihn morgen noch mal aufwärmen, dachte ich,
falls sie dann wieder hier ist.
˜
Den Abend verbrachte ich mit Fernsehen. Ich sah mir alles
an, was mir unterkam, es war egal, was ich sah, Hauptsache bunt und bewegt, und
Hauptsache, ich wurde irgendwann müde. Die ganze Zeit hoffte ich, das Tapsen
von Issos Pfoten zu hören, aber da tapste nichts. Sie ließ mich mit meinem
schlechten Gewissen allein.
Ins Bett legte ich mich dennoch bei geöffnetem Fenster und
geöffneter Terrassentür, und ich legte mich so, dass mein Arm von mir wegragte.
Sie konnte sich wie gestern dranschmiegen.
Ich wachte immer wieder auf, nur um immer wieder festzustellen, dass
ich alleine war.
˜
Morgens gegen sieben glaubte ich, ein Geräusch in der
Küche gehört zu haben. Zum Aufstehen war es noch zu früh, aber einen Schluck
Apfelsaft konnte ich trinken.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Der Fisch war fast vollständig vom
Teller weggeputzt. Ich musste lächeln. So korrupt war sie dann doch. Schön.
Ich legte mich wieder hin und schlief weiter bis halb zehn.
˜
Sie lag auf dem Sofa. Kreisrund. Ihr Bauch war halb nach
oben gedreht, ein Pfötchen lag über ihrem Auge, unterm Kinn hatte sie einen hellgrauen
Fleck. Falls sie kokett war, dann kannte sie sich aus, das war die optimale
Pose, um einen wie mich zu rühren. Ich ging leise in die Küche, um mir
Teewasser aufzusetzen.
Dann ließ ich mir ein Bad ein, schmierte zwei Marmeladenbrote und
stellte Tee und Frühstück auf den Badewannenrand.
Zu Hause hatte ich nur eine Dusche – ich genoss es, zu baden, obwohl
es verschwenderisch ist und von Frau Seelig vielleicht nicht gern gesehen
wurde. Vielleicht war sie eine ökologisch sensible Weltbeschützerin oder
einfach nur sparsam. Aber eigentlich glaubte ich das nicht. Sie hatte Humor.
Den haben Weltbeschützer meiner Erfahrung nach eher selten. Und sie rauchte
heimlich. Sie wollte es nicht, aber sie tat es. Zumindest war sie nicht
perfekt. Ich ließ mich ins warme Wasser gleiten und nahm den ersten Schluck
Tee.
Aus irgendeinem Grund beherrschte ich mich und ließ mir meine Freude
nicht anmerken, als ich Issos Pfotentapser hörte. Es klang halbwüchsig, wie ein
Teenager, der eher latscht als geht, so betont lässig und uneilig, ich kannte
diesen Sound.
»Morgen, Schönheit«, sagte ich, noch bevor ich sie sah, und sie
antwortete: »Du trägst doch Lederschuhe, oder?«
»Ja und?«
Jetzt war sie auf den Badewannenrand gesprungen, zum unteren Ende
balanciert, um sich dort auf dem breiteren Teil niederzulassen. Sie putzte
sich.
»Und Gürtel aus Leder und so was alles.«
»Meinst du wegen Grasfresser?«
»Genau«, sagte sie, »du bist doch einer. Deine alberne Aktion
gestern und dein moralischer Hochmut deuten darauf hin.«
»Du hast schon recht. Ich esse schon lange kein Fleisch mehr, aber
deshalb bilde ich mir nicht ein, dass ich nichts mit dem Töten zu tun hätte.
Nur weniger. Ohne Lederschuhe kann ich nicht. Ohne Fleisch kann ich.«
»Das Leben funktioniert aber so«, sagte sie, und es klang diesmal
nicht herablassend, sie schien mir meine Antwort abzunehmen.
»Ich weiß«, sagte ich, »und ich weiß auch, dass du
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