Heinermaedsche
Vaters gelernt, der sie vom Beckenrand aus mit einer Schwimmstange aus Metall gesichert hatte. Hier hatte sie ihren ersten Freund geküsst, heimlich in einer der Umkleidekabinen – es war Nummer 12 gewesen. Sie spürte noch immer das Kribbeln, wenn sie daran dachte. Ein Besuch in diesem Bad war wie ein Ausflug in eine andere Zeit.
Die Aufgüsse in der Sauna waren abwechslungsreicher als in anderen. Allerdings gab es manch gewöhnungsbedürftigen Aufguss, zum Beispiel Kirsch-Slibowitz oder Mandarine-Bergamotte. Wer sich solche Duftkombinationen ausdachte, müsste doch eigentlich selbst mal in so einer Wolke schwitzen, dachte Eva, als sie es sich auf der Holzbank gemütlich machte.
Dennoch war die Sauna der richtige Ort, um in Ruhe über die Tote nachdenken zu können. Ab wann fing eine Leiche eigentlich an zu stinken? Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Fiel der Körper in sich zusammen oder entspannten sich gar alle Muskeln? Womöglich erwartete sie eine Riesensauerei, wenn sie später nach Hause käme. Ein Schütteln überkam sie und Eva beschloss, sich ihrem Groschenroman zu widmen und sich später auf die Lösung ihres Problems zu konzentrieren. Weit kam sie allerdings nicht, denn plötzlich setzte sich ihre Freundin Mathilda auf eine freie Liege neben ihr.
»Hallo, meine Liebe, dich habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?«
»Hallo, Mathilda, schön, dich zu sehen. Ich war in letzter Zeit sehr beschäftigt, hatte einige Termine und kam zu nichts anderem mehr.« Eva winkte mit der rechten Hand ab und blickte erschöpft zu Boden.
Eva und Mathilda kannten sich vom Sport und golften sporadisch zusammen.
»Oh, je. So schlimm?«
Eva nickte. »Weißt du, ich will nicht darüber sprechen. Ich möchte die Ruhe genießen und mich auf heute Abend vorbereiten.«
»Aufguss!«, rief eine sonore Stimme durch die Halle.
Eva war dankbar für die Unterbrechung und nutzte die Gelegenheit, sich von ihrer Bekannten zu verabschieden. Nachdem diese, gelangweilt, da sie nun niemanden zum Tratschen hatte, die Sauna verlassen hatte, gab sich Eva der Hitze hin. Ein klassischer Duft wurde ausgewählt. Latschenkiefer. Sie verübelte es Mathilda zutiefst, dass der gewünschte Erholungseffekt endgültig dahin war.
15
Zurück in ihrer Villa ging Eva schnurstracks in den Garten. Wie idyllisch er wirkte, jetzt, da die Sonne von Westen hereinfiel. Sie genoss diesen Moment mit allen Sinnen.
Die Stille umhüllte sie wie eine Wolke voller Glückseligkeit.
Sie schaute sich um. Der Garten war quadratisch angelegt. Im Mittelpunkt stand die mannsgroße Marmorstatue einer griechischen Göttin umrahmt von Ziersträuchern. Rechts und links von ihr blühte Rhododendron mit wunderschönen weißen Blüten. Der perfekt geschnittene Rasen umgab das Arrangement. An den Seiten wuchs Maharadscha-Malve, eine Glockenblume. Auch die Rosen blühten jetzt so schön.
Dank ihrer Freundin Marianne hatte sie nicht die üblichen Rosenbüsche in ihrem Garten, sondern teils unbekannte Sorten, auf die sie stolz war. Eine dunkelviolette Rosenblüte brachte die ›Bleu Magenta‹ hervor. Einige Meter weiter stand eine prächtige Parfumrose, die ›Impératice Farah‹, eine wunderschöne Rosenblüte mit Farbspiel auf jedem Blütenblatt. Der Oleander mit seinen zartvioletten Blüten, der eine harmonische Komposition mit dem blühenden Jasmin einging.
Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. Zahlreiche Kinder tollten auf der Mathildenhöhe herum. Die Boulespieler jubelten bei jedem guten Wurf. Bewusst nahm sie die Gerüche des Gartens in sich auf. Der intensive Duft des Jasmins mischte sich mit dem ihres Kräutergartens: Melisse, Pfefferminze, Lavendel, Kerbel, Thymian und Estragon. Nur eine einzelne Nuance, kaum merklich, wenn man keine derart feine Nase hatte wie Eva, störte die Harmonie.
Die vielen Jahre als treue Douglas-Kundin machten sich bemerkbar. Ihren ohnehin schon guten Geruchssinn hatte sie bei der Auswahl der exklusiven Parfums noch weiter geschult.
Ihr fiel eine unmögliche Verkäuferin ein, die sie einmal dort beraten hatte. In dem breitesten Hessisch, das Eva bis dato gehört hatte, hatte sie ihr ein grauenhaftes Parfum empfohlen. »Ei, horschn Se mo, des is gans bestimmt des rischtische für Se. Mei Omma sprüht des aach immer inner Geschend rum. Ei, Se habbe doch des glaasche Alter, gell.«
Wie nett.
Was die Verkäuferin noch so von sich gegeben hatte, daran
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