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Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann-Sophie Aigner
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Tasse unversehrt, den Teppich zierte allerdings ein hässlicher Fleck. »Was ist denn los mit Ihnen?«, schrie sie hysterisch. »Sind Sie sogar zu dumm, um einen Tee zu kochen? Der ist absolut scheußlich. Wenn das Hermann erfährt, sind Sie gefeuert!«
    Das war genug. Evas Schmerzgrenze war überschritten. Sie hatte so viele Demütigungen über sich ergehen lassen müssen, die wüsten Beschimpfungen dieser Janine brachten das Fass zum Überlaufen. Eva sprang aus ihrem Sessel. Ohne es zu realisieren, ging sie zum Schrank und griff sich eine kleine, schwere Statue.
    »Schauen Sie nur, Sie blöde Kuh«, schrie Janine und zeigte auf ihr rechtes Knie. Dort war ein kleiner roter Punkt zu sehen. »Wegen Ihnen habe ich mich verbrannt. Das wird eine hässliche Narbe geben. Sie haben mich für mein Leben entstellt. Das werden Sie mir büßen. Ich kann nie wieder einen kurzen Rock anziehen. Wer sieht mich denn jetzt noch an? Sie … «
    Mitten im Satz sackte Janine in sich zusammen und blieb regungslos auf der schönen hellen Sofagarnitur sitzen. Nur ein winziges Loch in ihrem Kopf war zu sehen, aus dem etwas Blut tropfte. Eigentlich kaum der Rede wert. Eva nutzte die herrliche Stille, um sich zu sammeln. Eine Leiche auf ihrem Sofa kam ihr sehr ungelegen. Hoffentlich tropfte kein Blut auf den Stoff, das ging bekanntlich schwer aus Textilien raus. Die kleine Statue hielt sie noch immer in der Hand. Schnell säuberte sie sie und stellte sie zurück an ihren angestammten Platz.
    Im nächsten Moment hörte sie einen Schlüssel im Schloss der Haustür. Sie fuhr zusammen. Wer konnte das um diese Zeit sein? Schnell wickelte Eva die Leiche in eine weiche Angoradecke und richtete sie ein wenig auf. Sie nahm ihren großen Sommerhut, der stets an der Terrassentür hing, und setzte ihn der Toten auf. Da stand schon Mark in der Salontür.
    »Hallo, Mutter. Das war vielleicht ein verrückter Tag. Oh, du hast Besuch, wie ich sehe.«
    »Ja, ähm, ja, das ist Frau Ohnesorge, du weißt doch, die neue Chorleiterin in der Kirchengemeinde. Sie will das kommende Programm mit mir durchsprechen. Dabei ist die Arme wohl eingenickt.« Eva streichelte scheinbar verständnisvoll über die Schulter der Toten.
    »Das ist eindeutig ein Frauengespräch«, lachte Mark. »Ich gehe mal hoch und werde mich mit meiner Hausarbeit auseinandersetzen.«
    Was für ein guter Junge, dachte Eva. Sie musterte die Leiche und überlegte fieberhaft, wie sie das Geschöpf aus dem Haus bekäme. Ihre Unterlippe würde bald vernarben, wenn sie nicht mit der Kauerei aufhörte.
    »Mark, mein Junge, kannst du bitte noch mal runterkommen?«, rief Eva.
    Im nächsten Moment stand Mark wieder im Raum. »Was ist denn los?«
    »Ich denke, draußen unter der Laube kann Frau Ohnesorge besser ruhen. Aber sie schläft so tief, dass es mir nicht gelingt, sie aufzuwecken. Hilfst du mir bitte, sie in den Garten zu tragen?«
    »Denkst du nicht, es ist besser, sie in Ruhe zu lassen?«
    »Nein, nein.« Eva schüttelte energisch den Kopf. »Glaub mir, draußen gefällt es ihr bestimmt besser. Nimm du mal den rechten Arm und ich den linken.«
    Mark und Eva stemmten die Tote hoch und schleiften sie in den Garten.
    »Die schläft so fest, man könnte glauben, sie sei tot«, ächzte Mark.
    Eva konnte nicht mehr. Hoffentlich nahm Mark ihr nicht den Hut vom Kopf und entdeckte das Blut.
    »Deine Bekannte hat aber gewagte Strümpfe an, findest du nicht auch?« Er zeigte auf das linke Bein der Toten und zwinkerte seiner Mutter zu. Die Decke war ein bisschen zur Seite gerutscht. Auweia. Sie rückte eilig die Decke zurecht, die Gute sollte sich schließlich nicht erkälten, behauptete sie.
    »Das ist ein Teil des diesjährigen Chorkostüms. Wir machen mal was völlig Neues. Die jungen Leute sollen angesprochen werden. So, und nun komm, wir gehen rein.«
    Am Arm lotste sie Mark zurück ins Haus. Um die Leiche würde sie sich kümmern, wenn es dunkel war. Nun brauchte sie erst einmal ein bisschen Ruhe.
    »Sag mal«, wechselte Eva das Thema, »hat dein Kommilitone eigentlich seine Pflanzen zurückerhalten?«
    »Die Pflanzen?« Mark hatte gehofft, dieses Kapitel seines Lebens einfach vergessen zu können, doch das schien ihm nicht vergönnt. »Ja, das hat gut geklappt, aber glaube mir, ich mache so ein Experiment nie wieder. Einmal hat vollkommen gereicht.« Mark hatte die Pflanzen abgeliefert und sein Geld bekommen. Zu seinem Pech hatte die Polizei sie erwischt und ihre Fingerabdrücke genommen. Nun war er

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