Heinermaedsche
deinen Namen auf dem Display gesehen, kurz bevor das Telefon runtergefallen ist. Warum hast du mich angerufen?«
Evas Griff um das Lenkrad wurde fester. »Einfach so.«
»Quatsch, du rufst mich nie ›einfach so‹ an.«
»Ich sagte doch, es gab keinen speziellen Grund.«
»Eva.« Hermanns Stimme wurde lauter.
Sie sagte nichts.
»Hast du gedacht, ich gehe dir fremd?«
Natürlich, aber das wollte sie keinesfalls zugeben. Doch sie konnte sich nicht zurückhalten: »Ja, das habe ich gedacht. Und hatte recht, deine kleine Gespielin ist ja auch rangegangen.«
»Und wenn schon«, schnaubte Hermann. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich allein das Geld für dein Leben verdiene. Da steht es mir zu, ein bisschen Spaß zu haben. Sei froh, dass ich nicht eine von den jungen Damen in mein Haus hole. Das ist mein kleines Vergnügen, ganz nebenbei. Aber wenn du jetzt so ausflippst, muss ich dich wohl austauschen.«
Eva war fassungslos. Was hatte er da eben gesagt? Er wollte sie austauschen? »Was, glaubst du, gibt dir das Recht, dich so zu benehmen?«
»Geld, meine Liebe, Geld.«
Evas Leben schien in Sekundenbruchteilen vor ihrem geistigen Auge vorbeizuziehen. Alle hatten recht, Hermann belog und betrog sie nach Strich und Faden und fühlte offensichtlich keinerlei Reue. In diesem Augenblick war sie sich sicher – Hermann musste weg.
»Vorsicht!«, schrie Hermann, als Eva plötzlich in den Gegenverkehr steuerte.
Evas Augen füllten sich mit Tränen. Schnell lenkte sie den Wagen zurück auf die richtige Spur.
»Eva, um Gottes willen, was machst du denn da?« Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht verschwunden. Hermann war kreidebleich.
»Welchen Sinn hat unser Leben, wenn du mich verlässt? Alles habe ich für dich geopfert, habe dir den Rücken freigehalten, damit du dich auf deine Kariere konzentrieren konntest. Den ganzen Kram mit dem Haus und der Erziehung unseres Jungen habe ich vollkommen allein gestemmt. Und du rechnest alles nur über dieses blöde Geld ab. Das ist unfair!«
»Eva, komm, das ist kein Grund gegen die Leitplanke zu fahren. Fahr langsam heim und dann besprechen wir unsere Lage, es kommt sicher alles wieder in Ordnung.« Angst, vielleicht auch ein wenig Verzweiflung, spiegelte sich in Hermanns Augen.
Eva musste sich sehr konzentrieren. Durch den Tränenschleier sah sie die Fahrbahnmarkierungen nur verschwommen. Es war ihr fast unmöglich, in der richtigen Fahrspur zu bleiben. Ihre Gedanken kreisten wie in einer Zentrifuge.
Hermann beteuerte permanent, dass es keine Entschuldigung für sein schändliches Verhalten gab und dass er Eva niemals wieder hintergehen würde. Er schwor es bei allem, was ihm heilig war. Eva hörte sich seine Beteuerungen an und gab vor, darüber nachzudenken. Tatsächlich aber war sie sich in keiner Weise sicher, ob sie ihm jemals verzeihen konnte. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie das überhaupt wollte.
Die restliche Autofahrt über die Rheinstraße, den Citytunnel, vorbei am Schloss und dem Darmstadtium schwieg Eva. Die Worte Hermanns waren so leer, so weit weg, Eva hörte sie kaum noch.
Die nächsten Tage verliefen für Eva wie in Trance. Sie erledigte ihre Aufgaben automatisch und ging seit langer Zeit mal wieder in die Chorprobe. Dabei lief sie prompt Gerlinde über den Weg.
»Wie geht es dir? Du hast dich seit unserem Gespräch gar nicht mehr gemeldet«, sagte Gerlinde.
»Ach, weißt du, die Ereignisse der letzten Tage und Wochen waren einfach zu viel für mich. Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll.«
»Was ist denn los?«
Eva winkte ab. »Wie fühlst du dich, seit dein Mann weg … , ich meine … , na, du weißt schon, tot ist?«
»Grandios. Endlich kein Genöle mehr, kein nerviges: ›Gerlinde, wo sind meine Socken, wo ist meine Krawatte, wo bleibt mein Essen, wieso sind die Fenster nicht sauber?‹ und so weiter und so weiter.«
»Du vermisst ihn wirklich nicht?«
»Gott bewahre, nein. Ich habe eine Entscheidung getroffen und war mir der Konsequenzen mehr als bewusst. Komm, wir shoppen jetzt ein bisschen und danach gehen wir einen Wein trinken.«
»Gut, wir treffen uns dann gleich am weißen Turm.« Eva machte sich auf den Weg zu ihrem Mini und rief von unterwegs aus Ursula an.
»Hast du heute Zeit?«
»Heute ist nicht Freitag.«
»Ich weiß, es ist Mittwoch, ich muss mit dir reden.«
»Ich kann jetzt nicht so schnell.«
»Es ist wichtig.«
»Na gut, ich komme. Aber wehe, es ist nicht wirklich ein
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