Heinermaedsche
und dir stets den Rücken gestärkt. Niemals habe ich deine Entscheidungen infrage gestellt. Egal, wie belastend sie für mich waren, ich habe immer zu dir gehalten. Du warst derjenige, der damals sagte, für eine wohlhabende Ehefrau schicke es sich nicht, zu arbeiten. Das wäre gleichbedeutend mit persönlichem Versagen für dich. Und noch eins, was glaubst du denn, wie du deinen Posten bekommen hast? Doch nur wegen mir. Du warst der einzige Bewerber, der ein solides und beständiges Familienleben hatte. Keine Skandale, kein ausschweifendes Nachtleben. Dein Vorgesetzter hat mich sogar angerufen und mich über dich ausgefragt. Ich habe dich in das richtige Licht gerückt. Dieses Gespräch war das Zünglein an der Waage.« Sie schäumte vor Wut. Gleichzeitig überkam Eva ein Gefühl von Freiheit. Noch nie hatte sie gesagt, was sie tatsächlich dachte.
Hermann wirkte geschockt, fing sich allerdings schnell wieder. Er hob den rechten Zeigefinger und hielt ihn direkt vor Evas Gesicht. »Deine Aufgabe war niemals, dich selbst zu verwirklichen, sondern auf deine eigenen Belange zugunsten der Familie zu verzichten. Deine Aufgabe ist es, dich für mich aufzuopfern und meine rechte Hand zu sein. Du kannst froh sein, dass ich dir bisher so viele Freiheiten zugestanden habe.« Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich.
Eva versuchte, ein Zittern zu unterdrücken, sie hatte Angst.
So ruhig wie möglich griff sie auf eine Notlüge zurück »Entschuldige uns bitte, Ursula und ich haben Theaterkarten für die Abendvorstellung. Ich schlage vor, wir reden morgen noch mal ganz in Ruhe und unter vier Augen über unser Problem. Ich bitte dich nur um eins, wirf unsere Ehe nicht einfach so weg.«
»Ich wüsste nicht, über was wir noch reden sollten. Was ich gesagt habe, meine ich auch so. Das Beste wird sein, ich nehme mir eine neue Frau.« Hermanns kalte Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft.
»Bevor wir etwas sagen, was wir nicht so meinen, gehe ich jetzt lieber. Denk bitte über meine Worte nach.«
Eva und Ursula stiegen in deren silberfarbenen Porsche und fuhren Richtung Innenstadt. Natürlich hatten sie keine Theaterkarten. Lange sagten beide kein Wort. Das eben Erlebte wog schwer. Sie konnten nicht fassen, was Hermann von sich gegeben hatte. Ursula steuerte einen kleinen Italiener an, direkt an der roten Stadtkirche. Es war ein lauer Abend und sie setzten sich draußen an einen runden Tisch unter eine blühende Kletterrose.
»Sag mal, so habe ich Hermann noch nie erlebt. Er scheint wirklich wütend gewesen zu sein.«
Eva erwidert nichts.
»Hör mal, du musst jetzt handeln. Was ist, wenn er das alles ernst meint?«
Eva beugte sich über den kleinen Tisch und flüsterte: »Du denkst doch nicht, er will sich tatsächlich scheiden lassen, oder?«
Ursula kam ebenfalls etwas näher. »Das weiß ich nicht, aber denk nur daran, was aus dir wird, wenn er sich eine Neue nimmt. Wo willst du denn wohnen und von was willst du deinen Lebensstil finanzieren? Du hast kaum Ansprüche auf Rente.«
»Ich habe Anspruch auf Unterhalt.«
»Willst du dich mit Kleingeld zufrieden geben, wenn du alles haben kannst? Glaubst du, ein Richter interessiert es, warum du niemals richtig gearbeitet hast? Du wirst alles verlieren. Ich habe kürzlich im Darmstädter Echo einen Artikel über eine Frau gelesen, die mit Mitte 50 von ihrem Mann verlassen wurde. Sie war in ähnlicher Situation wie du, hat nie gearbeitet. Die Arme ist heute ohne Krankenversicherung, weil sie sich keine leisten kann. An eine Arbeitsstelle ist gar nicht zu denken, sie hat nichts gelernt und dementsprechend keinerlei Berufserfahrung.«
Eva schlug die Hände vor den Mund und unterdrückte einen Schreckensschrei. »Wie konnte ich mich nur so abhängig von Hermann machen? Niemals habe ich mich gefragt, ob das richtig ist. Was soll ich denn nur machen?« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Selbst ihr sonst so gut frisiertes Haar ließ sich stumpf hängen.
»Bist du glücklich?«, fragte Ursula unvermittelt.
»Wie bitte?«
»Na, ob du glücklich bist?«
»Also, weißt du, was soll ich denn darauf antworten! Im Moment bin ich eher traurig und wütend, aber wenn es dir dann besser geht: Ja, ich bin glücklich.«
»Das glaub ich dir nicht. Nicht, seit ich diese Szene miterlebt habe. Du musst dich endlich wehren, verstehst du?«
»Ach, hör doch auf. So einen Streit hat jeder mal. Hermann beruhigt sich schon wieder.«
»Und was, wenn nicht? Was machst du dann? Eva,
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