Heinermaedsche
Eva. Eine Stimme. Sie schien zu flüstern.
Was sie wisperte, konnte Eva nicht verstehen, egal, wie sehr sie sich anstrengte.
Gebückt schlich er in die Richtung, aus der das Flüstern kam, wobei er stets Deckung hinter den Büschen suchte. So leise sie konnte, watschelte Eva in der Hocke ihrem Mann hinterher. Im Entengang war es nicht einfach, jemanden zu verfolgen. Gott sei Dank machte sie regelmäßig Sport, sonst hätten ihre Oberschenkel vermutlich bald schlappgemacht. Ihr Französisch war schlecht, aber es gelang ihr dennoch, die Worte zu verstehen.
»Mein Liebster, ich komme bald zurück zu dir. Ich freu mich so sehr auf dich. Es dauert hier keine zwei Wochen mehr und schon bin ich bei dir.«
Die Frau mit dem Handy in der Hand sah umwerfend aus. Nicht zu groß, langes, leicht gelocktes braunes Haar, eine Taille und einen Po zum Niederknien. Schlanke Beine, die kein Ende nehmen wollten. Einzig die klobigen Arbeiterschuhe, die sie trug, störten das Bild. Eine Schande für ein so bezauberndes Geschöpf, eine derartige Arbeitskluft zu tragen. Da erst erkannte Eva, dass es Delphine war, die vor ihr stand. Die junge Frau, die vorhin von Adele aus der Küche geworfen worden war. Eva beobachtete Hermann, der anscheinend sehr angetan von diesem Anblick war. Was für ein Bild. Da versteckte sich Hermann, der gerade erfahren hatte, dass seine Freunde tot waren, hinter einem Busch, um eine neue Eroberung zu inspizieren, und Eva versteckte sich ebenfalls hinter einem Busch, um nicht von Hermann ertappt zu werden und trotzdem unmittelbar am Geschehen dran zu sein. Fast hätte sie gelacht, als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging und sie sich vorstellte, wie lächerlich Hermann und sie aussehen mussten. Aber die Situation war ernst. Sehr ernst sogar. Eva beobachte, wie Hermann anfing, unruhig zu werden. In ihm schien dieselbe Hitze aufzusteigen wie damals bei Chantalle im Restaurant.
Plötzlich knackte etwas. Was war denn jetzt passiert? Noch bevor Eva wusste, was geschehen war, rief Delphine: »‹allo, ist ’ier jemand?«
Wie ein kleiner Junge, der bei einem Streich ertappt worden war, kam Hermann aus seiner Deckung heraus.
»Hallo, entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht belauschen. Ich habe im Garten gesessen und zufällig Ihre entzückende Stimme gehört. Es tut mir sehr leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
»Non, Monsieur. Das ist nischt schlimm«, kicherte Delphine schüchtern und sah mit ihren schönen blauen Augen auf den Boden. »Isch darf im Moment gar keine Pause machen. Isch ’abe mit meine Freund gesprochen. Isch komme aus Frankreisch, wissen Sie?«
»Oh ja, das höre ich.«
»Warum schauen Sie misch so an?«
Ja, warum schaute er sie so an?, dachte Eva.
»Ich… ähm… Arbeiten Sie hier?«
»Oui, isch arbeite ’ier für ein paar Wochen und kümmere misch um alles, was so im ’aus anfällt.«
»Als Hausangestellte?«
Oui, so ’eißt das ’ier.«
»Vermissen Sie Ihren Freund?«
»Oui, isch ’abe ihm gesagt, in zwei Wochen komme isch surück su ihm.«
Eilige Schritte ließen die beiden zusammenzucken; auch Eva erschrak.
Adele kam mit einer Schubkarre um die Ecke und warf Delphine einen strafenden Blick zu. »Kommst du, Delphine!« Ihr Ton duldete keine Widerrede.
»Oui, Madame«, antwortete Delphine leise.
Adele schaute ihren Schwager finster an. »Untersteh dich, meiner Schwester noch einmal weh zu tun! Das wird dir leidtun, verlass dich drauf.« Sie hielt ihren rechten Zeigefinger drohend in die Luft.
»Scher dich zum Teufel, du blöde Kuh.«
»Wer wird denn gleich so unfreundlich sein? Wenn du mich reizt oder Eva noch mal hintergehst, solltest du auch hier gut aufpassen, was du isst, hörst du?«
»Verschwinde.«
»Sicher, aber vergiss nicht, was ich gesagt habe.«
Insgeheim dankte Eva ihrer kleinen Schwester für ihre deutlichen Worte.
Wenig später machte sich Eva auf die Suche nach Adele. Sie wollte unbedingt mit ihr sprechen. In der Küche fand sie sie schließlich. »Hast du etwas Zeit für mich?«
Adele stand an der großzügigen Arbeitsplatte und schnitt Lauchzwiebeln in dünne Streifen. »Hallo, Liebchen, hier, nimm die Tomaten und gesell dich zu mir.«
»Ich habe vorhin deine Ansprache an Hermann gehört und wollte mich bedanken.«
»Ich weiß.«
»Wie, du weißt? Woher denn?«
»Ich habe gesehen, wie du das Haus verlassen hast. Eigentlich wollte ich dich fragen, was du heute Abend essen möchtest, aber da du dich ständig umgeschaut hast,
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