Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Ihrer Hand gemacht?«
»Das Leben ist gefährlich, Signor Laurenti. Selbst eine Thunfischdose ist tückisch bei entsprechendem Seegang.«
Er hielt den Verband hoch. »Im Hochsommer werden vier Wochen damit zur Hölle. Glauben Sie mir!« Dann ging er.
Laurenti war schlagartig guter Laune. Er griff zum Telefon und rief die Spurensicherung an. Wenig später war einer der Bestäuber da und stülpte ein Plastiktütchen über Wasserglas und Aschenbecher. Mit dem Zigarettenstummel und den Fingerabdrücken von Spartaco de Kopfersberg fuhr er ins Labor. Die Ergebnisse, so versprach der Bestäuber, könnten vielleicht schon in zwei Stunden vorliegen. Als häufiges Opfer von Laurentis Ungeduld kannte er seit Jahren dessen Blick, wenn sich die Augen verengten und die Stirn sich in Falten legte. Laurenti bat darum, daß er die Nachricht in jedem Fall über das Mobiltelefon erhielt.
Via Roma – TIMOIC
Marietta war kurz vor halb eins in der Via Roma. Sie ging die Treppen zum Büro der TIMOIC hinauf und fragte die junge Sekretärin nach Viktor Drakic. Der kam in großen Schritten aus seinem Büro, er hatte es offensichtlich eilig. Das Entree war mit einem üppigen Strauß roter Rosen und weißer Lilien geschmückt. Der Strauß verströmte einen starken süßlichen Duft. Marietta erkannte Drakic sofort. Er war es, den sie zusammen mit Elvira Fossa gesehen hatte. Sie war von dieser Bestätigung so irritiert, daß sie Mühe hatte, ihre Worte zu ordnen. Drakic stand vor ihr und schaute sie fragend an. Gerade als sie sagte, daß sie im Auftrag des Commissarios gekommen war, der überlegte, ob er seinen Dienstausweis hier hatte liegen lassen, ging die Eingangstür auf, und Eva Zurbano kam in Begleitung eines nicht sehr italienisch aussehenden, aber gut gekleideten Herrn um die Fünfzig herein. Drakic schob Marietta in ein Büro, entschuldigte sich für einen Augenblick und ging hinaus. Er begrüßte den Herrn überschwenglich in hart akzentuiertem Deutsch. Drakic war offensichtlich nervös über ihre gleichzeitige Anwesenheit, dachte Marietta. Sie hatte gehört, wie er den anderen »Doktor Wolferer« nannte. Er kam eilig zurück und schloß die Tür wieder hinter sich. »Es tut mir leid, Signora, wir haben hier nichts gefunden. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, damit wir Sie anrufen können, wenn wir den Ausweis doch noch finden sollten.« Sie schrieb die Telefonnummer auf einen Zettel, Viktor Drakic schaute ihn nicht einmal an. Dann ging er zur Tür und öffnete sie halb. Er verharrte einen Augenblick, als lauschte er in den Flur. Als er Marietta eilig zum Ausgang führte, war der Flur leer. Nur die Blumen standen da. Von weit hinten hörte sie die Stimmen, eine freundliche Unterhaltung, in der gut gelaunt gelacht wurde.
Rossana Di Matteo rief an und teilte mit, daß sie am Tag zuvor einen weiteren Hetzartikel Decantros verhindert habe und daß Laurenti beruhigt sein könne. Decantro würde den »Piccolo« Ende der Woche offiziell verlassen. Bis dahin versuche sie, ihn im Zaum zu halten, was soviel wie Innendienst bedeute. Der Einfluß seines Vaters bei einer »richtigen« Zeitung habe offensichtlich Erfolg gehabt.
»Für morgen«, sagte Rossana, »bereiten wir einen neuen Artikel vor. In dem kommst du besser weg. Aber dennoch, Proteo, mich wundert, daß man gar keine Meldungen von euch erhält, weder über den Toten von Montebello noch den des Österreichers. Auch nichts über die junge Frau vom Golfplatz. In Triest wird wie lange nicht gemordet, aber die Polizei hüllt sich in Schweigen. Habt ihr nichts, oder wißt ihr nichts? Wir fragen nach, aber wir werden immer nur vertröstet. So geht das nicht. Ihr seid der Öffentlichkeit Erklärungen und den Bericht über den Stand der Ermittlungen schuldig. Ihr könnt die Presse nicht nur dazu benutzen, daß sie veröffentlicht, was euch hilft. So ist das alles nicht gedacht!«
»Rossana, wart’s ab. Es kann sein, daß dir bald der Platz im Blatt nicht mehr reicht. Alles deutet darauf hin, daß unser beschauliches Triest doch nicht so ganz der ruhige Ort ist, wie alle glauben. Wegen der Toten vom Golfplatz mußt du die Carabinieri fragen. Es ist ihr Fall. Außerdem hattest du heute den Bericht über die Illegalen.«
»Den haben wir auch von den Carabinieri, Proteo! Die Polizia Statale schweigt. Erzähl mir bitte, was mit dem Österreicher los ist.«
»Der ist tot. Das wissen wir.« Er erzählte, wie und wo der alte Kopfersberg gefunden wurde. Sie solle ruhig darüber berichten.
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