Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Schaden könne dies nicht.
Noch während sie sich unterhielten, trat Lilli in sein Büro. Sie war beinahe wie eine durchschnittliche Triestinerin gekleidet, weder auffallend schlecht noch auffallend gut, für ihre Verhältnisse sogar züchtig. Und nicht einmal ihr Dekolleté war diesmal übertrieben. Laurenti gab ihr ein Zeichen, daß sie sich setzen sollte. Wenig später verabschiedete er sich von Rossana Di Matteo. Er war froh, daß von dem schreibenden Dobermann Decantro nichts mehr zu befürchten war.
»Hast was gut bei mir, Commissario!« Lilli ließ den Kaugummi platzen, der nun gar nicht zu ihrem Alter paßte.
»Ich weiß, daß es nicht deine Schuld war, Lilli. Auch keine böse Absicht, nehme ich an. Aber du hättest mich besser warnen müssen.«
»Mir hat das Bild gefallen! Ist ’ne gute Werbung für mich. Seit gestern läuft mein Geschäft wieder ganz ordentlich. Obgleich die meisten mehr fragen als bumsen.«
»Lilli«, Laurenti war nervös. »Hast du mir noch etwas anderes zu sagen? Wenn nicht …«
»Keine Angst, Schatz, ich bin gleich wieder weg. Wollte dir nur sagen, daß irgend etwas los ist in der Stadt. Sie haben vier Kolleginnen für heute abend in die Villa bestellt.«
»Und?«
»Na ja, ich dachte, es interessiert dich!« Und wieder platzte der Kaugummi.
»Danke, Li Iii. Sonst noch was?«
»Ja, vielleicht, daß mir auffiel, daß die Weiber, die aus der Villa kamen, nie Probleme hatten mit euch. Keiner wußte, woher sie stammten, aber sie hatten immer ordnungsgemäße Papiere, auch wenn sie kein Wort Italienisch sprachen.«
»Und?«
»Na ja, ich dachte, es interessiert dich!« Sie stand auf. »Du weißt ja, daß ich normalerweise nicht petze, aber der neuen Konkurrenz kann man nicht tatenlos zusehen.«
»Danke, Lilli.«
»Komm halt mal vorbei. Hast wirklich was gut bei mir.«
»Ich überleg’s mir, Lilli. Ciao!«
»Ciao, Bulle! Viel Glück.«
14 Uhr – Questura
Entgegen dem Versprechen des Questore war auch der Carabinieri-Colonello zu der Sitzung erschienen. Er mußte ganz offensichtlich schon vor vierzehn Uhr eingetroffen sein, denn als Proteo Laurenti eintraf, saß er bereits am Besprechungstisch. Sie begrüßten sich knapp. Kurz darauf kamen Ettore Orlando, der Herrscher über die offene See, und Zanossi, Maggiore der Guardia di Finanza und Leiter der GICO.
»Wir brauchen«, sagte der Questore, »mehr Kooperation. Leider ist dieser Appell an Sie alle nötig – generell und erst recht in dieser Sache, die Laurenti aufgedeckt hat. Die Kollegen der Carabinieri sind mit der Toten vom Golfplatz nicht weitergekommen, dafür hat Laurenti über sie wesentliche Erkenntnisse erhalten. Andererseits liegen den Carabinieri bei den Illegalen mehr Ergebnisse vor. Die Guardia di Finanza hatte bereits mit der Firma TIMOIC des Ermordeten Kopfersberg zu tun – und alles hängt mit allem zusammen. Ich befürchte, wir haben da in ein Wespennest gestochen. Die Ermittlungen leitet Laurenti.«
Der Polizeipräsident machte wieder einmal die typische Pause, wie jedes Mal, wenn er seine letzte Aussage unterstreichen wollte.
»Aber auch ich bleibe Ihnen, meine Herren, nicht erspart. Wir haben gestern festgestellt, daß vielleicht in unseren eigenen Reihen etwas nicht so ist, wie es sein sollte. Auch darüber haben sich die Indizien verdichtet. Es ist bedauerlich, ganz besonders bedauerlich, denn es handelt sich um einen verdienten und beliebten Kollegen. Um Fossa werde ich mich persönlich kümmern. Ich werde heute abend im Büro sein und auch am Funkverkehr teilhaben.«
Der Questore wies auf die Anlage, die er neben seinem Schreibtisch hatte aufbauen lassen. Hohe Tiere wie er haben kaum praktisches Gerät in der Nähe. Sie könnten es kaum bedienen.
»Ich werde Enrico Fossa am Abend zu mir rufen. Er wird bei mir bleiben, an diesem Tisch, und mit mir zusammen hören, was Sie tun, Signori. Ich gehe davon aus, daß er seine Situation erkennt und sich mir gegenüber erklärt. Das ist das Verfahren, mit dem er sein Gesicht wahren kann.«
»Und warum nehmen wir ihn nicht fest? Die Carabinieri könnten das übernehmen. Wir wären dazu befugt, und niemand würde etwas vermuten, wenn wir ihn bei uns befragen. Sie, Questore, müßten sich dann nicht um ihn kümmern und könnten den Abend mit Ihrer Familie verbringen.« Proteo Laurenti wußte, warum er den Colonello nicht ausstehen konnte. Sie würden sich nie vertragen.
»Ich habe selbstverständlich alle Möglichkeiten in Betracht gezogen. Wir
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