Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Portikus war eine Videokamera installiert. Laurenti war wieder erstaunt, denn auch in dieser Gegend waren viele Jahre keine Einbrüche passiert. Er fand die Klingel an der linken Säule. Er drückte zweimal, wie er es immer tat. Nach einigen Augenblicken erklärte er der Frauenstimme aus der Gegensprechanlage, wer er sei und daß er Signora Drakic zu sprechen wünsche. Es dauerte lange, bis er ein Summen hörte und sich die Torflügel leicht bebend in Bewegung setzten. Vor Laurenti tat sich eine breite Auffahrt auf, gesäumt von großen steinernen Pflanzkübeln, in denen flammend rot blühende Oleander ein Spalier bis zum Haus bildeten. Die Gartenanlage war gut gepflegt. Weiter unten zog ein Rasensprenger seine Wassserbahnen über das Grundstück. Eine solch großzügige und aufwendige Anlage hatte Laurenti hinter der hohen Mauer, die das Grundstück umgab, sowenig erwartet wie die herrschaftliche Villa, zu der er jetzt die gepflasterte Auffahrt hinaufging und danach eine weitere Treppe nahm, um zur Eingangstür zu kommen. Die Villa mußte, so vermutete er, Anfang des Jahrhunderts gebaut worden sein. Im Halbparterre waren wahrscheinlich einmal die Dienstboten untergebracht. Steinskulpturen standen verstreut im Garten, vorwiegend Abgüsse von Venusfiguren in allen möglichen Posen. Auf der linken Seite der Villa, auf die er langsam zuging, erhob sich über die drei Geschosse hinaus noch ein kleiner Turm. Der Ausblick auf Stadt und Hafen mußte einmalig sein. Auf jeden Fall konnte Laurenti sich nicht vorstellen, je hier zu leben.
Eine junge Frau war aus der Tür getreten und bat ihn mit hartem, slawischem Akzent, ihr zu folgen. Sie kamen zuerst in eine Eingangshalle, von der eine breite Treppe nach oben führte. Er schaute automatisch hinauf und sah, wie zwei neugierige Mädchenköpfe, die über eines der oberen Geländer geschaut hatten, sich schnell zurückzogen. Sie durchschritten zwei große Salons mit teurem altem Parkett, Teppichen, Stofftapeten, Gemälden und schweren Vorhängen. Die Rolläden waren geschlossen, so daß alles in ein Halbdunkel getaucht war. Die Türen, die in den angrenzenden Flur führten, standen halb offen, und Laurenti hörte weibliche Stimmen in einer ihm fremden Sprache und sah zwei Mädchen an der Tür vorbeihuschen. Wie im Mädchenpensionat, dachte er. Vor einer Glastür, die wieder in den Garten hinausführte, blieb die junge Frau stehen und bedeutete ihm weiterzugehen, die Signora sei am Pool. Es roch nach einer Mischung aus frisch gemähtem Rasen und Chlorwasser. Laurenti war zuerst durch die grelle Sonne geblendet, erkannte dann aber am Kopfteil einer der Liegen aus Zedernholz einen blonden Haarschopf. Dies mußte Tatjana Drakic sein.
Er hatte nicht damit gerechnet, von einer gänzlich Unbekleideten empfangen zu werden, die nicht einmal ihre Beine übereinanderschlug, als er näher kam. Laurenti räusperte sich. Sie war eine attraktive Frau, das war schwerlich zu übersehen, als sie sich schließlich aufrichtete und ohne Eile nach einem türkisgrünen Seidentuch griff, das sie sich lässig umlegte.
»Schauen Sie sich ruhig alles an«, sagte die Dame zu ihm, als sie bemerkte, wie er seinen Blick verzweifelt in Richtung einer römischen Amphore lenkte, bis sie sich wenigstens notdürftig verhüllt hatte, »es ist alles echt.« Sie stand jetzt vor ihm, das Tuch über den Brüsten verknotet, und reichte ihm die Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
Laurenti stellte sich vor. »Ich leite die Ermittlungen. Hat sich Signor de Kopfersberg inzwischen bei Ihnen gemeldet?«
»Nein«, antwortete Tatjana Drakic, »wir sind ernsthaft in Sorge.«
»Wohin ist er gefahren?«
»Das weiß ich nicht. Bruno sagte lediglich, daß er gestern wieder hier sein wollte.« Ihr Akzent war hart, doch das Italienisch gut.
»In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?«
»Wir leben seit über drei Jahren zusammen.«
»Und er sagt Ihnen nicht, wohin er geht, wenn er geht?« Laurenti tat erstaunt.
»Nein, nicht immer. Das habe ich Ihrem Kollegen aber auch schon erzählt. Tun Sie doch endlich etwas, um ihn zu finden.« Die Drakic überschlug sich wahrlich nicht an Höflichkeit. Ihre Härte und Gleichgültigkeit irritierten den Commissario.
»Fuhr er alleine weg?«
»Ja.«
»Machte er das öfter?«
»Selten.«
»Hatten Sie Streit?«
»Nein!« Jetzt schaute sie ihn ziemlich wütend an.
»Warum sind Sie nicht mitgefahren?«
»Ich fühlte mich nicht wohl.« Gesprächig war sie wirklich nicht.
»Hat er
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