Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Alternative gab. Fossa hatte die Sache im Griff. Er hatte sich auf ein Motorrad gesetzt, war zur Stazione Marittima gefahren und hatte dort ohne lange Diskussion die Zugmaschine des erstbesten Sattelschleppers beschlagnahmt. Fossa hatte sich auf den Beifahrersitz geschwungen und dem griechischen Fahrer, der kein Wort verstand, befohlen, hinter einem inzwischen ebenfalls eingetroffenen Streifenwagen herzufahren. Auf der Gegenspur durchpflügten sie die Stadt, und auf der Gegenspur kamen sie bei dem havarierten Lastwagen an. Eine Abschleppstange war bereits herbeigeschafft worden, und in Kürze war die Straße mit rauchender Kupplung geräumt. Fossa drückte dem Griechen aus eigener Tasche fünfzigtausend Lire in die Hand. Minuten vor dem Eintreffen des Regierungschefs war alles klar. Solche Aktionen, über die noch lange gesprochen wurde, machte nur Fossa, nur er war kaltblütig genug, und dafür zollten ihm seine Männer den höchsten Respekt. Auch Laurenti hatte Achtung vor dem Streifenchef und arbeitete gerne mit ihm zusammen, wenngleich ihre persönliche Beziehung distanziert geblieben war.
»Permesso?« Fossa kam durch die Tür. »Ciao, Proteo!«
Er gab Laurenti die Hand.
»Kaffee kommt gleich«, rief Marietta aus dem Vorzimmer.
»Danke, daß du gekommen bist, Claudio. Es gibt eine Menge zu besprechen. Aber zuerst will ich wissen, wie es dir geht.«
»Was soll ich sagen? Ein Mann im besten Alter und mit Aussicht auf Ruhestand hat wenig zu klagen. Und du kannst stolz sein, Proteo. Du hast eine hübsche Tochter!« Fossa hatte keine Ahnung, was er mit dieser Äußerung bewirkte, und erschrak über die sich schlagartig verfinsternden Gesichtszüge seines Gegenübers. »Äh, habe ich was Falsches gesagt? Ich meine, sie ist doch wirklich schön. Wenn sie Glück hat, gewinnt sie die Wahl, und dann hat sie sogar die Chance auf die Miss Italia. Da kannst du dich doch nicht beklagen.«
»Also hat es doch jemand gelesen«, antwortete Laurenti finster.
»Aber natürlich! Alle haben es gelesen!« Fossa traf, ohne es zu wissen, den Nagel auf den Kopf. »Alle sprechen davon. Die jungen Poliziotti sind ganz aus dem Häuschen und sagen, es sei schade, daß ein solches Mädchen einen Polizisten zum Vater hat, der sie wahrscheinlich behütet wie der Drache die Prinzessin.«
»Er hört das nicht gerne«, Marietta hatte Kaffee auf den Tisch gestellt. »Proteo ist eifersüchtig.«
»Lassen wir das«, antwortete Laurenti angestrengt, »wir haben zu arbeiten. Marietta, bring mir bitte die Anweisung vom Chef.« Dann berichtete er von der Sitzung beim Polizeipräsidenten und was Fossa zu tun hatte. Laurenti wollte vor allem täglich über die Ergebnisse informiert werden, insbesondere darüber, wenn es zu Problemen in der Zusammenarbeit mit den Carabinieri oder der Guardia di Finanza komme. Fossa beruhigte ihn und meinte, man müsse viel mehr darauf achten, daß die Streifen es nicht übertrieben. Als sie im Frühjahr die harten Kontrollen auf der Strada Costiera durchführten, war die Sympathie der Bevölkerung für die Polizei auf einen Tiefpunkt gesunken. Die Streifen hatten viel zu viel Spaß an solch kleinen Demonstrationen ihrer Macht.
»Wie war die Nacht im Borgo Teresiano?« Laurenti war zum zweiten Punkt gekommen.
»Ruhig. Drei illegale Kolumbianerinnen. Sie sind schon auf dem Weg zur Abschiebung. Sonst nichts. Außer einigen Strafzetteln für die rallige Kundschaft. In zwei, drei Tagen hat es Wirkung. Aber am Wochenende kann es nochmals Probleme geben. Der ›Piccolo‹ hat die Informationen gleich heute Vormittag bekommen. Und heute steht die Meldung von gestern drin. Hast du wahrscheinlich schon gelesen.« Fossa deutete auf die Zeitung, die auf dem Schreibtisch lag.
»Bin noch nicht dazu gekommen!« Laurentis Exemplar der heutigen Ausgabe war noch immer so gefaltet, wie er es am Kiosk erhalten hatte. »Wie viele waren da?«
»Dreizehn. Zwei hatten wir gestern mitgenommen. Morgen sind es aber ganz sicher wieder die üblichen fünfzehn. Es rücken immer gleich welche nach. Du weißt ja, das ist nicht zu verhindern.«
»Wir müssen es aber für eine Zeit verhindern, spätestens in zehn Tagen müssen wir abgeräumt haben. Sonst kommen harte Zeiten auf uns zu.« Laurenti schaute Fossa streng in die Augen. »Verstärke die Kontrollen noch weiter, Claudio, schick zwei Männer mit Kameras los, mit Blitzlicht. Sie sollen die Freier fotografieren, das treibt das Blut aus den Lenden in den Kopf. Außerdem möchte ich, daß
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