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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Männer würden nicht begeistert sein.
    »Was haben die verstärkten Straßenkontrollen gebracht?« Der Questore bat um die Berichte.
    Es war nicht zu vermehrten Festnahmen gekommen, dennoch ordnete er an, daß man das Konzept weiterverfolgen und insbesondere die nächtlichen Streifen an der Küste verstärken müsse.
    »Um es noch einmal ganz deutlich zu machen«, sagte der Questore ernst, »das Innenministerium hat gemeldet, daß fünfzigtausend Flüchtlinge aus Klein- und Vorderasien in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion auf Weitertransport Richtung Westen warten. Es kommt einiges auf uns zu. Auch in Montenegro und Albanien sieht es nicht gut aus. Tausende Roma fliehen vor den zurückgekehrten Kosovaren.«
    »Vielleicht sollten wir«, schlug der Tenente Colonello der Carabinieri vor, »nichts an die Presse weitergeben. Dann gelingt es uns womöglich, in einer der kommenden Nächte die Schleuser zu erwischen. Bisher verfolgte man ja nur die Immigranten. Ich plädiere wie immer dafür, das Leck da zu stopfen, wo es ist.«
    »Ganz im Gegenteil«, der Questore hatte die Hand gehoben, als wollte er warnen, »Sie haben doch selbst gehört, die Boote sind zu schnell und zu wendig. Eine Zahl aus Apulien macht das deutlich: In den letzten zwölf Monaten haben die Kollegen dort 187 schnelle Motorboote beschlagnahmt, jedes einige hundert Millionen Lire wert. Das heißt: jeden zweiten Tag ein beschlagnahmtes Schiff. Die Mafia kratzt das nicht, beim Zigarettenschmuggel reden sie von lediglich zwei Prozent Schwund. Nein, wir müssen die Medien um Zusammenarbeit bitten. Für elf Uhr haben wir eine Pressekonferenz zu dem Thema angesetzt. Es muß überall bekannt werden, daß es hier kein Durchkommen gibt.« Er ließ seine Hand zurück auf den Tisch sinken und griff energisch nach dem »Piccolo«. Er hielt ihn fast drohend hoch. »Da wir gerade bei den Medien sind: die zweite Sache, die mir heute früh die Laune verdorben hat.«
    Er wandte sich an Laurenti. »Commissario«, begann er, »ich dachte, Sie sind ein glücklich verheirateter Ehemann mit tadellosem Ruf!« Laurenti hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte. Er sah nur, daß der Carabinieri-Offizier seine Gesichtszüge nicht mehr kontrollieren konnte. Ein dreckiges Grinsen umspielte seinen Mund vor Schadenfreude. Die beiden Kollegen von der Guardia Costiera und der Guardia di Finanza blickten angestrengt ins Leere. Der Questore hatte die Titelseite des Lokalteils der Zeitung aufgeschlagen und hielt sie Laurenti hin. Der erstarrte beinahe vor Schreck, glaubte seinen Augen nicht und riß dem Polizeipräsidenten das Blatt aus den Händen.
    »Die Polizei versagt!« Die Headline zog sich in fetten, großen Lettern über die gesamte Blattbreite. Der Untertitel war nicht besser: »Lasche Kontrollen und eine disziplinlose Truppe. Ein Commissario im Zwielicht.« Und darunter ein Foto aus dem Borgo Teresiano, das in der Nacht, als er sich für eine halbe Stunde von der Party der Galeristen davongeschlichen hatte, heimlich aufgenommen worden sein mußte. Der Commissario war deutlich im trauten Gespräch mit Lilli zu erkennen. Das Foto zeigte Lilli mit entblößten Brüsten, die sie mit beiden Händen emporhielt. Das hatte die alte triestinische Hure gestern also mit ihrer Andeutung gemeint. Die Bildlegende lautete »Freitag, 23.30: Der Leiter der Kriminalpolizei, Commissario Proteo Laurenti, ist auch nach Dienstschluß immer bei der Sache.« Natürlich war der Artikel von Luigi Decantro unterzeichnet.
    Laurenti hatte einen hochroten Kopf und war sprachlos. Er kochte vor Wut und rang um Haltung. »Verfluchte Sauerei. Ich kann es nicht glauben«, stammelte er. »Entschuldigen Sie, ich habe die Zeitung noch nicht gelesen.« Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Wie konnte das passieren?« Und im stillen fragte er sich, wie Rossana Di Matteo dies hatte zulassen können.
    »Genau das, Commissario«, sagte der Questore, »frage ich Sie auch.« Er nahm die Zeitung wieder an sich und zitierte einige Abschnitte.
    »Ein Journalist des ›Piccolo‹ hatte Gelegenheit, zwei Nächte mit auf Streife zu gehen. Er wies zuvor in mehreren Artikeln auf die Mißstände im Borgo Teresiano und auf die Untätigkeit der Polizei gegenüber der Ausbreitung der Prostitution hin. Das Ergebnis dieser Recherche ist mehr als ernüchternd, man könnte es fast als deprimierend bezeichnen.« Dann beschrieb er langatmig Uhrzeit und Routen, die sie genommen hatten. Offensichtlich wollte er sich dramatisch dem

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