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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Isabella, seine Lieblingstochter, endlich wiedergesehen zu haben. Sie hatte ihm bei einem kleinen Spaziergang begeistert von den Unterwasser-Archäologen erzählt und von den Fundstücken aus dem römischen Handelsschiff. Besonders eine kleine bronzene Minerva-Statue hatte es ihr angetan. Laurenti war sicher, daß seine Tochter eines Tages eine berühmte Archäologin werden würde.
    Als er endlich von der Autobahn abgebogen war und auf die Strada Costiera fuhr, drängte sich die Arbeit wieder in den Vordergrund. Er fuhr an der Costa dei Barbari vorbei, an der Trattoria Costiera, wo die Yacht gefunden worden war, und dann die Viale Miramare stadteinwärts. Die ersten Rentner hatten schon wieder ihre Liegen auf der Uferpromenade aufgebaut. Früher Rentner bekommt den Hai.
    Er traf pünktlich zur Sitzung beim Polizeipräsidenten ein. Es sollte die erste Besprechung sein nach der Verstärkung der Kontrollen wegen illegaler Einwanderung. Laurenti wußte nicht, warum der Questore und die Kollegen ihn so verhalten, beinahe finster grüßten. Er schob es auf die frühe Stunde und daß nicht nur er mehr Schlaf gebraucht hätte, um die Welt in ihrer ganzen Schönheit zu sehen.
    »Meine Herren«, sagte der Questore, der die letzte Ausgabe des »Piccolo« in der Hand hielt, »ich weiß gar nicht, mit was ich beginnen soll. Bis vor einer Stunde war ich noch in bester Stimmung. Die ist aus zwei Gründen leider schlagartig verschwunden: zum einen sind unsere Küsten nicht mehr sicher, und zum anderen«, nun hielt er mit seiner linken Hand den »Piccolo« hoch, »zum anderen wird unsere Polizia Statale als eine Gruppe von Vollidioten dargestellt. Ich weiß nicht, ob Sie schon den Artikel gelesen haben. Doch darüber später. Zunächst der ursprüngliche Anlaß für diese Sitzung: die Illegalen. Tenente Colonello, bitte!«
    Der Carabinieri-Offizier war wieder einmal in kompletter Uniform erschienen, die er sonst nur bei offiziellen Anlässen anlegte – und im Winter, wenn der dicke Stoff ihm den Mantel ersparte und ein besonders kantiges Aussehen verschaffte. Bei dieser Hitze war es der reine Wahnsinn. Er hob seinen eckigen Schädel und schob das Kinn nach vorne.
    »Heute Nacht um zwei Uhr achtzehn«, hob er an, »haben wir an der Costa dei Barbari einunddreißig Illegale festgenommen. Fünf Afghaner, fünf Bangladescher, sechs Rumänen, acht Kurden, drei Russen, zwei Pakistani, zwei Iraker. Kurden und Iraker haben politisches Asyl beantragt. Bei den Befragungen stellte sich heraus, daß sie mit zwei Schlauchbooten hergebracht worden waren. Dauer der Fahrt etwa eine halbe Stunde. Nach Berechnung unserer Kollegen der Seetruppen ist der Ausgangspunkt zwischen Pirano und Rovigno zu vermuten. Aus irgendwelchen Gründen waren ihre Abholer nicht oder zu spät gekommen. Eine unserer Streifen entdeckte sie, wie sie auf der SS 14 Richtung Sistiana gingen.«
    »Danke, Tenente Colonello. Das ist eine ernste Situation«, sagte der Questore. »Die Schleuser suchen neue Wege. Wir müssen davon ausgehen, daß dies nicht das erste und nicht das letzte Mal war. Ich erinnere an die alten Landestellen der Zigarettenschmuggler. Bis Ende der Achtziger benutzten sie verschiedene, schwer zu überwachende Küstenabschnitte, von Muggia bis in die Lagune von Grado. Die Costiera haben sie allerdings immer gemieden. Wie sieht es mit den Kontrollen der Küstenwache aus?«
    »Wenn sie denselben Bootstyp wie in Apulien verwenden, also schnelle Schlauchboote«, analysierte der Maggiore der Guardia Costiera, einer der leitenden Offiziere Ettore Orlandos, »dann sind sie mit dem Radarnetz nicht zu orten. Letzte Nacht war es stockfinster, da sind die Chancen, durchzukommen, groß, selbst wenn wir die Zahl der Patrouillenboote verdoppeln. Außerdem ist keines unserer Schiffe so schnell wie diese Geschosse. Gehen Sie von einer Differenz von etwa zehn Knoten aus, also Lancia gegen Porsche.«
    »Sie müssen die Patrouillen verstärken, Maggiore«, sagte der Questore eindringlich.
    »Das habe ich schon veranlaßt. Auch nachts fahren jetzt alle Schiffe. Wir spannen abends dort Taue, dicht unter der Wasseroberfläche, in denen sich die Schiffsschrauben verheddern müßten. Für unsere Männer ist das eine harte Zeit: tagsüber der Hai, von dem nicht bekannt ist, ob es sich um einen Blauhai oder einen weißen handelt, nachts die Küste. Wir haben Phase Gelb gegeben.«
    Das bedeutete Voralarm: Urlaubssperre und keine freien Tage zum Ausgleich des Schichtdienstes. Seine

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