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Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Titel: Heinrich Mueller 01 - Salztraenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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Mikrowellenstrahlung dazu, welche die Hirnmasse durch einen Tieftemperaturkochvorgang verklumpen lässt.«
    »Und was kommt nach dem Menschen?«
    »Jedenfalls nichts, was ein ähnliches Gehirn hat. Vielleicht Insekten, Ameisen, Bakterien. Irgendein Lebewesen, das in der Lage ist, sich in riesigen, selbst organisierenden Verbänden auszubreiten, sodass jede Einheit unabhängig von den anderen in einem ausgeklügelten Bauplan zum Ganzen beiträgt«, sagte Lucy.
    »In dem ein jedes seinen Platz und die ganze Ordnung kennt?«
    »Genau, angeordnet wie Tautropfen auf einem Spinnennetz.«

Sonntagnachmittag, 24.9.2006
    »Nimm das und das! Kannst du nicht sterben? So! So! – Ha, sie zuckt noch; noch nicht, noch nicht? Immer noch. Bist du tot? Tot! Tot!«, brüllte der Zwei-Meter-Hüne, der seltsam unbeweglich mit einem Messer herumfuchtelte, dass einem angst und bange werden konnte.
    Der ergraute Schwingerkönig von 1986 war vielleicht für den ›Woyzeck‹ nicht die ideale Besetzung. Überhaupt war vielleicht Georg Büchners ›Woyzeck‹ im Blick auf die Ereignisse der vergangenen Woche nicht die ideale Wahl für die erste Saisonpremiere der im Sommer neu gegründeten Theatergruppe Kurzgraben, die aus einer Abspaltung der Damenriege hervorgegangen war, weil sich die Frauen partout weigerten, mit Männern gemeinsam zu turnen. Allerdings war die Gruppe noch nicht als Verein eingetragen, also ein Teil des Dorflebens, der sich noch etablieren musste.
    »Und da hat der Ries gesagt: Ich riech, ich riech Menschenfleisch. Puh, das stinkt schon«, sagte eine kleinwüchsige Frau im Plauderton, die den Narren vorstellte. Ob sich die Theatergruppe damit die notwendige Unterstützung sicherte? Aber man hatte lange geübt. Jetzt musste es auf die Bühne. Die Zuschauer fürchteten immer noch den Dolch, aber sie hatten schon vorher nicht begriffen, warum der arme Mensch sich ausschließlich von Erbsen ernähren sollte, gab es doch Brot, Speck und Käse genug.
    Auch sonst ging es im Mehrzwecksaal des Hirschen hoch zu und her. Immer wieder wurde ein Name flüsternd durch die Reihe gegeben, jemand stand auf und kam nach fünf Minuten wieder, unter Geraschel und Geraune über alle Beine in den eng gestuhlten Reihen steigend. Das irritierte die Schauspieler zunehmend. Aber nach der letzten Szene war es um die Zurückhaltung des Publikums geschehen.
    »Ein guter Mord«, sagte der Polizist, »ein echter Mord, ein schöner Mord. So schön, als man ihn nur verlangen tun kann. Wir haben schon lange so keinen gehabt.«
    Da brachen die Emotionen über die Leute herein, sie schrieen und tobten, man wusste nicht, war es aus Wut oder aus Begeisterung. Dann strömten die Menschen hinüber in die Gaststube und stellten sich für den DNA-Test in die Reihe, die nur unterbrochen wurde, als sich beim Buchstaben E niemand meldete.
    Man war sich plötzlich einig, dass das Theater ein ungewöhnliches Spektakel gewesen war und die Gruppe dieses Stück in weiser Vorausschau ausgewählt hatte. Schließlich nahm es bereits niemand mehr so ernst mit dem erneuten Mord, man feierte einen Sonntag, wie man ihn nicht so schnell vergessen würde. Auch Henry und Lucy hatten der Vorführung beigewohnt, der Detektiv war bei seinem Eintritt in den Saal sogar mit Applaus empfangen worden. Es zeigte sich, dass die Stimmung im Tal sehr schnell von einer Seite auf die andere kippen konnte.
    Jetzt suchten die beiden einen Platz am Tisch der Berner Polizisten, mussten sich aber mehrfach wieder erheben, um neue Gäste durchzulassen, die unbedingt auf der Bank ander Wand sitzen wollten, obwohl diese kaum mehr Platz bot.
    »Als wir das ›Aufstehen der Massen‹ gefordert haben«, sagte Müller zu niemandem im Besonderen, »haben wir nicht uns selbst gemeint, wie wir uns heute – schwer geworden von den Genüssen des Lebens – vom Esstisch erheben.«
    Lucy lachte und sagte. »Ich hoffe, ich muss deine Erfahrungen beim Älterwerden nicht teilen. Aber wenn das das einzige Problem ist …“
    »Nun«, meinte Heinrich, »das Schlimme – und das habe ich dir beim letzten Gespräch verschwiegen - daran ist, dass du dich dauernd zwischen zwei Hosengrößen und zwei Brillenstärken befindest.«
    Nachdem ein paar Einheimische die letzten Plätze am großen Tisch besetzt hatten, fragte der Störfahnder in die Runde, ob sich jemand ein Motiv für den Mord am Gemeindeschreiber vorstellen könne.
    Die von der Theateraufführung und vom ersten Bier bereits geröteten Gesichter blühten

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