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Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Titel: Heinrich Mueller 01 - Salztraenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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fuhren sie weiter, und der Störfahnder fasste den Bericht zusammen: »Das Blut auf der Holzbrücke stammt ziemlich sicher vom Opfer, da seine Pulsadern an den Handgelenken aufgeschnitten sind. Wäre das Blut von einem Täter, so hätte er auf dem Rückweg vom Tatort eine Spur hinterlassen und wäre nicht weit gekommen. Es führen einzig blutige Schuhabdrücke zum Löwen , wo der Wirt gerade vernommen wird. An der Jacke des Toten gibt es allerdings Blutspuren an Stellen, die das Opfer kaum berührt haben kann. Deshalb müssen wir von einem weiteren Mord ausgehen. Die ganze Inszenierung soll aber aussehen wie ein Selbstmord. Hätte Jürg Fankhauser denn dafür einen Grund gehabt?« Die Frage richtete sich an Nicole. »Sie kennen den Mann doch?«
    »Den Gemeindeschreiber?«, fragte sie zurück. »Der Mann führte ein Leben zweiter Klasse. Er besaß eine zweitklassige Zahnbürste, trank zweitklassiges Bier und lebte in einer übersichtlichen Wohnung, die von seiner Frau mit zweitklassigen Reinigungsmitteln geputzt wird. Unter seiner Matratze würde man zweitklassige Pornohefte finden und auf dem Nachttisch in einem schmutzigen Glas Gebissteile minderer Qualität. Tagsüber machte er einen Job zweiter Klasse und fuhr einen Occasionswagen. Im Bett neben ihm lag eine unscheinbare Frau, die im Badezimmer zweitklassigen Nagellack hatte und eine künstliche Haarfarbe auf dem Kopf. Unter ihrer Matratze schimmelten geschmacklose rote Tangas mit Strapsen. Ab und zu hatten sie zweitklassigen Sex miteinander, den sie Liebe nannten, manchmal auch drittklassigen auswärts. Sie blieben zusammen, weil sie aus Erfahrung und aus drittklassigen Sendungen im Fernsehen wussten, dass das Leben und der Sex zu Hause eine Klasse besser sind!«
    »Wenn ein solches Leben Grund für einen Selbstmord bietet, dann hätte die halbe Bevölkerung Anlass genug dazu«, sagte der Polizist, der den Wagen fuhr.
    »Aber es muss eine dunkle Geschichte in seinem Leben geben, etwas um seine Tochter Linda. Vielleicht das Mädchen, von dem du in der Stadt gehört hast, denn ich habe sie nie im Kurzgraben gesehen«, sagte Lucy so leise, dass nur Henry es hören konnte.
    »Das bedeutet nun endgültig und unwiderruflich«, meinte Spring, »das ganze Tal tritt heute Nachmittag zum DNA-Test an. Diejenigen, die nicht antanzen, werden persönlich abgeholt.«
    Die Masse ist selten in einem klaren Bewusstsein über den Wert und die Natur dessen, was um sie vorgebt, sie spendet Beifall und Tadel nach dem Luft, der da geht, ungefähr wie der Rauch, der auch vom Winde getrieben wird.
    Inzwischen waren sie beim Bären angekommen. Die beiden Polizisten fuhren zur Holzbrücke weiter. Nicole begleitete Heinrich auf sein Zimmer, das er nicht vollständig ausgeräumt hatte. Jedenfalls lag sein Pyjama noch auf dem Bett. In der Hektik des heutigen Morgens war auch kein Zimmerservice gemacht worden.
    »Lilly hatte dermaßen viel zu tun in der Wirtschaft, dass für anderes keine Zeit blieb«, sagte Nicole. Sie legte sich aufs Bett und blickte an die dunkle Holzdecke, über der nur noch der Dachboden lag.
    »Eigentlich sollte ich hier liegen«, sagte Müller, » mich hat man aus dem Tiefschlaf gerissen und in dieses höllische Tal gezerrt.« Er setzte sich auf die Bettkante.
    »Das nennt sich nun Höhepunkt der Menschheitsgeschichte«, meinte Nicole, »der moderne Mensch, der seine Probleme mit Töten aus der Welt schafft. Zuerst generiert er mit seiner Tierhaltung Seuchen, dann schlachtet er die armen Viecher gleich millionenweise.«
    »Welche Seuche wird denn im Kurzgraben bekämpft?«, fragte Heinrich, aber es war eine Frage, auf die es keine Antwort gab.
    »Das ist nun also der Fortschritt.« Nicole legte die Hand auf Müllers Arm. »Die so genannte Evolution müsste eigentlich De-Evolution heißen, also nicht Fortschritt, sondern Rückschritt. Die Natur wählt von zwei möglichen Entwicklungen stets die schlechtere: Krankheit statt Gesundheit, Dummheit statt Intelligenz, Krieg statt Frieden.«
    »Tod statt Leben«, ergänzte Heinrich.
    »Sie gerät so in einen abwärts stürmenden Wirbel, der es ermöglicht, eine dominante Spezies durch ihre eigene Degeneration aus dem Weg zu räumen, um Platz zu machen für eine andere Spezies. Denk bloß an die Dinosaurier, deren Eierschalen so hart wurden, dass die Babys nicht mehr schlüpfen konnten. Keine Babys – aus!«
    »Und die Menschen?«, fragte Henry.
    »Das Gehirn ist ja schon reichlich verkalkt, jetzt kommt auch noch massenhaft

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