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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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mir nichts«, entgegnete Coudray. »Nein danke. Es gibt hier bestimmt eine Besucherterrasse, wo man ein bisschen rumstehen und sich langweilen kann.«
    Spring bestellte ihn in einer halben Stunde vor das Berntor.
    »Eine hilflose Art der Arroganz«, sagte der Störfahnder unterwegs zum Detektiv.
    »Kommt wohl häufiger vor«, berichtete Heinrich. »Künstler und Schriftsteller sind schwierige Zeitgenossen. Einerseits wollen sie ungestört arbeiten, andererseits von ihrem Publikum geliebt werden.«
    »Wahrscheinlich soll es auch ihre Bücher und Kunstwerke kaufen«, vermutete Bernhard.
    »Ich habe von einem Autor gelesen«, erzählte Heinrich, »der beinahe den Deutschen Buchpreis gewonnen hätte.«
»Beinahe ist leider keine mit Preisgeld dotierte Kategorie«, wandte Spring ein.
    »Das nicht, aber er hat schon wegen der Nominierung Zehntausende Bücher verkauft. Jedoch wie muss er dafür leiden: Fragen beantworten (immer dieselben), mit dem Publikum kommunizieren (das nur auf die Verfilmung wartet), im Lampenlicht der Kameras schwitzen und für Fotos posieren, wo er doch so ein kräftiger Naturbursch ist, der im regennassen Irland unter Entbehrungen Cottages aufbaut und sich in Südafrika einen neuen Roman abpresst.«
    »Hach, wie romantisch«, klönte Spring, »eine Geschichte des Leidens …«
    »Ich kenne ein paar Autoren«, moserte Müller, »die einen Preis oder auch ein Quäntchen Ruhm und Ehre ohne Gejammer entgegennähmen.«
    »Wenn er den Rummel nicht erträgt«, erklärte Bernhard, »soll er zu Hause bleiben. Seine Texte werden dadurch nicht schlechter.«
    Dann suchte er mit Heinrich Müller das Speichergässlein nach Maxine Bolleys Wohnung ab. Die Gasse war eher ein schmaler Durchgang zwischen zwei Häuserreihen, sie wirkte alt und schmutzig und zog die beiden gerade wegen ihres lange dauernden Zerfalls in ihren Bann. Die eine Reihe der Häuser grenzte an die Stadtmauer und besaß die Eingangstüren auf der Gassenseite, die andere wandte dem schmalen Durchgang ihren Rücken zu.
    »Im ersten Stock kannst du beinahe mit der Hand von einem Fenster zum anderen greifen«, sagte Spring.
    »So stelle ich mir das altdeutsche Städtchen vor, wo in E. T. A. Hoffmanns ›Der Sandmann‹ Nathanael sein Perspektiv auf den Salon von Professor Spalanzani richtet und darin Olimpia erblickt, das Automatenmädchen, das ihm den Kopf verdreht und ihn in den Wahnsinn treibt, sodass er sich schließlich vom Turm stürzt.«
     
    »Hier ist es«, sagte der Störfahnder und deutete auf eine schwere Holztür leicht unter Straßenniveau, die vor kurzem neu gestrichen worden war. Auch die Fensterrahmen wirkten renoviert, nur die Fassade hätte noch einen Anstrich vertragen. Nebenan lebte ein Trödler, jedenfalls waren die hölzerne Außentreppe und eine kleine Plattform unter einem Dach, das bis aufs erste Stockwerk hinunterreichte, voller Antiquitäten. Beim genauen Betrachten stellte man fest, dass alle Stücke beschädigt waren und von den meisten Menschen weggeworfen worden wären.
    »Sieht ganz so aus«, bemerkte Müller, »dass hier auch einiges aus Maxine Bolleys Wohnung gelandet ist.«
    »Wir fragen am besten nach«, sagte Spring und zog an einer Eisenstange, die irgendwo im Haus drin ein Läutwerk in Gang setzte. Nach langem Warten hörten sie das Schlurfen von Filzpantoffeln, die in der Sommerhitze so deplatziert wirkten wie sein Träger, ein alter Mann mit staubigem Bart und lodengrünem Pullover, der auch schon bessere Tage gesehen hatte.
    »Ja«, antwortete er auf die Frage nach den Gegenständen. »Ich habe ausgeräumt, was die Nichte nicht mitnehmen mochte.«
    »Hat sie vieles weggetragen?«, wollte Spring wissen.
    »Nein«, sagte der Alte. »Es gab nicht viel zu holen. Ein paar Schmuckstücke wohl, Kleinigkeiten halt, um sich an eine Person zu erinnern.«
    »Keine Möbel?«, fragte der Detektiv.
    »Nein, Maxine besaß nicht viel, und was sie auf ihre alten Tage hin behalten hat, war bereits kaputt oder passte nur in die kleinen Zimmer ihres verwinkelten Hauses.« Er schniefte durch die Nase. »Wie bei mir«, setzte er nach. »Es lohnt sich aber auch nicht, schöne Stücke hier aufzubewahren. Viel zu feucht und staubig. Mit den Jahren hat man auf allem, was man nicht regelmäßig benutzt und reinigt, einen klebrigen Schmutzfilm. Zwei, drei Sachen auf der Treppe draußen gehörten Maxine.«
    Alle drei betrachteten das Sammelsurium auf der Treppe.
    »Ist Frau Bolley überraschend gestorben?«, fragte der

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