Heinrich Spoerl
sprechen. Es ging auch nur, weil ich furchtbar geheimnisvoll und aufgeregt war.
»Herr Direktor. Sie müssen das Wasser ablassen?«
»Nanu? Jemand krank geworden?«
»Das natürlich nicht. Aber das Wasser ist nicht in Ordnung. Das heißt, nicht ganz in Ordnung.«
Als ich es glücklich heraus hatte – es war nicht einfach, mich hier gebildet genug auszudrücken –, war ich knallrot und erwartete, daß der Himmel einfiel. Er tat es nicht, auch der Wasserdirektor sank nicht vom Stuhl, sondern verzog keine Miene. Vielleicht glaubte er mir nicht. Ich gab ihm mein Ehrenwort, aber auch das machte keinen Eindruck.
»Schön, wir können das Wasser ja mal ablassen.«
»Herr Direktor, es muß aber sofort geschehen. Darf ich helfen?«
»Geh schön nach Hause. Aber du brauchst nicht darüber zu reden. Sonst kommst du ins Zuchthaus. Verstanden?«
Ich legte mich auf die Lauer. Aber ich konnte nicht feststellen, ob das Wasser wirklich erneuert wurde. Schließlich lief ich zum Willi. Der verstand gar nicht, warum ich heulte.
»Mensch, du bist ja verrückt! Das soll auch was sein, so ein bisschen Spucke auf so viel Wasser.«
»Wieso Spucke? Hast du da rein gespuckt?«
»Ja, was meinst du denn sonst?«
»Ich? – Och – nichts.«
Was ich zu essen und trinken versäumte, habe ich schnell nachgeholt. Aber wenn ich heute darüber nachdenke, bin ich wirklich im Zweifel, ob er es nicht doch getan hat. Heute ist er Landrat.
Vom Schlafen
Unser Nachtleben findet vorzugsweise im Bette statt.
Tagsüber haben wir anderes. Wir arbeiten oder tun, als ob wir etwas täten, wir verdienen Geld oder geben welches aus.
Nachts aber – und das ist, gering gerechnet, ein Drittel unseres Lebens – tun wir nichts, bringen uns in horizontale Lage und lassen die Zeit an uns vorüberfließen. – Und damit es uns und unseren Gedanken nicht zu langweilig wird, schlafen wir. Im Schlafen spürt man die Langeweile nicht. Manchmal hat man Pech und kommt nicht zum Einschlafen. Dagegen gibt es ein gutes Mittel. Wenn der Wasserkran tröpfelt, nicht Willensstärke üben, sondern Wasser abdrehen, aber sogleich; sonst tut man es nach einer Stunde. Wenn man aus inneren Gründen nicht schlafen kann: Um's Himmels willen nicht einschlafen wollen, nicht mit geballten Fäusten bis siebenunddreißigtausendvierhundertundsechsundachtzig zählen. Sondern aus der Not eine Tugend machen. Man braucht ja nicht zu schlafen. Es ist auch so ganz hübsch. Nur nicht Wollen wollen; der Wille ist der ärgste Widersacher des Schlafes. – Es ist zum Beispiel eine amüsante Unterhaltung, die Geräusche der Nacht zu beobachten und zu analysieren. Es ist geradezu erstaunlich, was Nachts alles los ist. Ein Auto würgt; die Zündung springt nicht an. Tut ihm gut. Ich habe keins. Eine Katze schreit. Vor einer Wirtschaft verabschieden sich zwei; sie tun es seit einer Stunde und reden im Kreise. Irgendwo klirrt ein Fenster. Auch einer, der nicht schlafen kann. Im Nebenhause ein schüchternes Hämmern, wie wenn jemand heimlich eine kleine Kiste nagelt. Es sind mehrere Kisten. Mir fehlt jede Deutung. Das Auto ist abgefahren. Die vor der Wirtschaft stehen immer noch. Die Katze erstirbt. Die Nacht rauscht leise. Rhythmisch. – Rirrrr! Mein Wecker. Es ist ein leuchtender Tag. Man hat längst geschlafen und nichts davon gemerkt.
Wenn es durchaus nicht anders geht, greift man zum Schlafmittel. Ich besitze keine Aktien der I. G. Farben, noch einen Apotheker zum Vetter. Ich bin für natürliche Schlafmittel. Das beliebteste und angenehmste möchte ich allerdings an dieser Stelle nicht nennen – das heißt, man kann eigentlich ruhig darüber sprechen: Vor dem Schlafengehen macht man einen kräftigen Spaziergang durch die Stadt. Man darf dabei nur nicht hängen bleiben.
Große Männer kommen mit drei oder vier Stunden Schlaf aus. So steht es in Geschichtsbüchern. Es sind merkwürdigerweise alles Leute, die längst gestorben sind. Vielleicht eben darum.
Ich bin der Überzeugung, daß die meisten Menschen zu wenig schlafen. Wenigstens des Nachts. Durch hunderttausendjährige Übung steht unser Schlafbedürfnis in Einklang mit der Erdumdrehung, und da die Nacht abzüglich Dämmerung im Jahresdurchschnitt etwa zehn Stunden beträgt, so spricht eine biologische Wahrscheinlichkeit dafür, daß dies das normale Maß des Schlafes ist. Und wenn wir die natürliche Nacht durch Elektrizität an dem vorderen Ende beschneiden, dann müssen wir sie am anderen Ende durch Jalousien
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