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Heirate keinen Arzt

Heirate keinen Arzt

Titel: Heirate keinen Arzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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vermutlich ein langweiliges Dasein, allein sie schuf uns dadurch ein glückliches Heim und eine enge häusliche Gemeinschaft.
    Als Vater starb, lag ich manche Nacht wach und dachte darüber nach, was aus Mutter werden würde. Nun, da der Vater nicht mehr war und ich nur noch kurze Zeit im Hause bleiben würde, mußte ihr die Zeit unerträglich lang werden. Doch ich hätte mich nicht zu sorgen brauchen. Offenbar kannte ich Mutter nicht so gut, wie ich gedacht hatte.
    »Sobald ich aus diesem Haus herauskommen kann«, sagte sie eine Woche nach dem Begräbnis, »werde ich mich schon aufrappeln. Aber solange ich auf der Rückenlehne den Eindruck seines Kopfes sehe und immer glaube, die Tür braucht bloß aufzugehen, um ihn einzulassen, kann ich sicher nie etwas anderes tun als weinen.«
    Zusammen entdeckten wir ein nettes Häuschen in Frinton und einen großen, eigentümlichen Hund zu Mutters Gesellschaft. Mutter behielt Vaters Auto und nahm Fahrstunden, und seine Golfstöcke und nahm Golf stunden; sie freundete sich mit ihren neuen Nachbarn an und gewöhnte sich rasch an ihr verändertes Leben. Weit davon entfernt, sich von ihrem Witwenstand und den vor ihr liegenden langen, freudlosen Jahren niederdrücken zu lassen, schien sie vielmehr aufzublühen. Sie besorgte das Haus ganz allein und setzte ihren Stolz in die Pflege ihres Gärtchens. Gar manchesmal ertappte ich sie dabei, wie sie hoch oben auf dem Birnbaum saß und die obersten Früchte beschaute, oder ich fand sie auf Händen und Knien beim Streichen eines Fußbodens. Ein Fremder könnte womöglich gedacht haben1, daß sie Vater vergessen hätte, ich jedoch wußte, daß sie nur das Beste aus ihrem neuen Leben herausholte, ohne ihn je aus dem Herzen zu verlieren.
    Das einzige, woran Mutter sich nie ganz gewöhnen konnte, war der Umstand, daß ich, ihr kleiner Junge, nun ein Arzt war. Noch immer fand sie, daß es eigentlich nicht »ganz anständig« sei, soviel über den Körper anderer Leute zu wissen, zumal wenn es Frauen waren, und stets wandte sie den Kopf ab beim Anblick der sie nicht ganz fein dünkenden Illustrationen der Lehrbücher, die allenthalben herumlagen.
    Am Freitagabend erwartete Mrs. Little gestiefelt und gespornt Mutters Ankunft, um ihr noch rasch zu zeigen, wo alles zu finden sei. Ich traf sie in der Küche beisammen: Mutter, die etwa halb so groß war wie Mrs. Little, hörte gespannt zu und zog am Gürtel ihres Kleides, wie sie zu tun pflegte, wenn etwas sie beschäftigte.
    »Wo haben Sie den Zimt und die anderen Gewürze stehen?« erkundigte sie sich, und ich wußte, daß Mutter eine ihrer Apfelpasteten im Sinn hatte.
    Mrs. Little sah Mutter an, als sei diese nicht recht bei Trost.
    »So was hab’ ich nie gebraucht«, erwiderte sie, »aber ich hab’ das Nachtessen für heut’ fertig gemacht, damit Sie für abends nichts zu tun haben. Es steht auch ’ne offene Büchse Bohnen da, und in der Speisekammer ein Mondaminpudding.«
    Vor lauter Angst, Mutters Blick zu begegnen, machte ich mir an einem tropfenden Hahn zu schaffen, den Hodge schon seit drei Wochen hatte ausbessern wollen.
    »Das ist ja ganz ausgezeichnet«, hörte ich Mutter sagen. »Ich denke, ich werde jetzt schon alles finden, falls Sie gehen möchten. Sie wollen doch gewiß nicht zu spät zum Zug kommen, oder?«
    Mrs. Little sah Mutter argwöhnisch an, doch auf Mutters Gesicht lag das Lächeln eines Engels.
    »Eine schreckliche Person ist das!« explodierte sie, nachdem Mrs. Little abgezogen war. »Wovon hast du nur die ganze Zeit gelebt? Sicher von weißen Bohnen aus der Büchse, wenn mich nicht alles trügt!«
    »Und Hackfleisch...« begann ich, eine Lanze für Mrs. Little zu brechen.
    Doch Mutter war schon dabei, die Ärmel aufzurollen. Den In, halt der offenen Dose mit weißen Bohnen hatte sie in den Eimer mit Schweinefutter geworfen.
    Als ich aus der Sprechstunde kam, die eine Stunde länger als ge. wohnlich gedauert hatte, fand ich einen gedeckten Tisch vor, der wie das Vorspiel zu einer spannenden Mahlzeit aussah. Mutter stand wie ich sogleich feststellte, äußerst verlegen daneben.
    »Es ist ein Anruf gekommen, mein Junge«, sagte sie, indem sie die Servietten nahm und anders faltete, um mir nicht ins Auge sehen zu müssen. »Die Gemeindeschwester läßt fragen, ob du gleich nach der Sprechstunde rasch zu Mrs. Blake ’rüberkommen könntest, sie läge seit heute früh in Wehen und käme nicht recht voran. Die Schwester sagte, ich möchte dir berichten...« Mutter holte

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