Heirate mich, Prinzessin!
„Bitte, sei vernünftig, und lass dich im Rollstuhl schieben.“
Phoebe murmelte etwas Unverständliches, doch dann gab sie nach.
Lachend verließen die Frauen das Zimmer und eilten durch den Palast, bis sie den Thronsaal erreicht hatten.
Mit jedem Schritt fühlte Clarissa, dass sie sich einem neuen Lebensabschnitt näherte, und zum ersten Mal nahm ihre Zukunft vor ihrem inneren Auge Gestalt an.
Sie fühlte sich plötzlich so leicht, befreit und optimistisch, dass sie zu rennen begann.
Jubelnd stürmten ihr die anderen hinterher.
Der Thronsaal hatte die Größe einer Kathedrale. Es war ein überwältigender Raum, den eine riesige Kuppel überspannte. Elemente maurischer, gotischer und barocker Architektur verschmolzen zu einer perfekten Einheit; die Fresken an den Wänden und der Kuppel stammten von Renaissancemalern, die einem Raffael ebenbürtig waren.
Clarissa jedoch fand, dass der Mann, der an diesem Tag hier gekrönt werden würde, die Grandezza des Raumes bei Weitem in den Schatten stellte.
Gemessenen Schrittes ging sie auf den Thron zu, gefolgt von der Prozession ihrer Brautjungfern. Sie trug kein Blumenbukett – eine Abmachung zwischen ihr und Ferruccio, denn beide wollten, dass sie die Hände frei hatte. Rechts und links auf den altehrwürdigen Bänken saßen Hunderte von adligen Gästen, die meisten Mitglieder der weitverzweigten königlichen Familie D’Agostino. Clarissa nahm, wie es vorgeschrieben war, in der ersten Reihe Platz. Nachdem der König gekrönt worden war, verlangte es die Sitte, dass die Königin neben ihm auf dem Thron Platz nahm.
Jahrelang war der Thron der Königin verwaist gewesen, da Clarissas Mutter sich geweigert hatte, ihre Pflichten wahrzunehmen. Nach ihrem Tod vor fünf Jahren hatte man den Thron sogar entfernt. Damals hatte Clarissa gerade ihr Examen in den Vereinigten Staaten abgelegt. Nach ihrer Begegnung mit Ferruccio war sie oft dorthin zurückgekehrt, einerseits, um ihren Doktor zu machen, andererseits, um dem Elend am Hof zu entfliehen. Jetzt fragte sie sich, ob ihre Abwesenheit mit schuld daran gewesen war, dass ihre Mutter zugrunde gegangen war.
Doch dann schüttelte sie diese negativen Gefühle ab, schließlich begann an diesem Tag ihre gemeinsame Zukunft mit dem Mann, den sie liebte.
Ein Trompetensignal verkündete die Ankunft Ferruccios. Aus dem Augenwinkel bemerkte Clarissa, wie Leandro herüberkam, um Phoebe aus dem Rollstuhl zu heben und sie zu einem Platz in der hintersten Reihe zu tragen, wo sie sich bequem ausstrecken konnte.
Dann verblasste alles um sie herum, und sie sah nur noch Ferruccio. Den Mann, den sie liebte, seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war.
Mit langen, energischen Schritten betrat er den Saal durch den nördlichen Türflügel und ging direkt zu der Empore, auf der die beiden Thronsessel standen.
Clarissa kannte die schwarzgoldene Krönungsuniform von Gemälden. Es war ein imposantes altertümliches Arrangement mit roter Schärpe, vielen Orden und Schwertgehänge. Auch von ihrem Vater gab es ein Gemälde, auf dem er diese Uniform trug.
Ferruccio bewegte sich in dem ungewohnten Kostüm völlig natürlich; es schien sogar, als sei der Mann selbst prächtiger als die Uniform.
Gleißendes Sonnenlicht, vielfach gebrochen durch die Glasmalereien, fiel durch die hohen Fenster. Sein schwarzes Haar glänzte, die goldenen Tressen der Uniform blitzten, und der rote Krönungsmantel mit dem Wappen von Castaldinien, der bis auf den Boden reichte, verlieh Ferruccio eine Aura von Macht, die alle Anwesenden spüren ließ, dass hier ein Mann war, der zum Herrscher geboren war.
Eine Bewegung an der Seite ließ Clarissa aufmerken. Sie sah, dass Durante und Paolo ihrem Vater aus dem Rollstuhl halfen.
Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte Castaldiniens. Zum ersten Mal dankte ein König ab.
Noch nie war ein neuer König gekrönt worden, während der alte noch lebte.
Der Vorsitzende des Kronrats trat nun neben den Thron, um die Zeremonie der Machtübergabe zu vollziehen.
Clarissa stockte der Atem, als sich die Prozession, die Ferruccio begleitete, in Bewegung setzte.
Doch da scherte Ferruccio plötzlich aus und kam auf sie zu. Unfähig, sich zu rühren, sah sie, wie er neben ihr stehen blieb, sich tief vor ihr verneigte und ihre eiskalten Hände nahm. „Komm mit mir, regina mia .“
Er nannte sie seine Königin! „Aber … aber du musst doch erst gekrönt werden“, stammelte sie.
„In ein paar Minuten werde ich König sein, und
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