Heirate mich, Prinzessin!
stehen.
„Du meine Güte, was war das ?“, hörte sie Lucis Stimme wie von weither zu sich durchdringen.
Clarissa konnte keinen klaren Gedanken fassen, und noch weniger brachte sie ein Wort über die Lippen.
„Das war der wilde Mann mit der eisernen Hand.“
Clarissa kannte die sanfte Stimme mit dem bösartigen Unterton seit ihrer Kindheit, und wie immer schauderte sie innerlich. Stella. Zum Glück waren sie nur entfernt miteinander verwandt. Das bedeutete, dass sie ihr nicht allzu oft begegnete. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte sie auf Stellas Gesellschaft gerne ganz verzichtet.
Stellas Worte ergaben keinen Sinn, aber es war Luci, die ungeniert fragte: „Hä?“
„Das war Ferruccio Selvaggio, der erfolgreiche Reeder, der schon mit zweiunddreißig einer der reichsten Männer der Welt ist. Sein Name ist Programm, denn er kennt keine Gnade mit denen, die sich ihm in den Weg stellen.“
„Zumindest behauptest du das“, warf Luci ein.
„Nicht nur ich. Es ist allgemein bekannt, wie gefährlich er ist. Aber der König scheint ja unglaublich von ihm angetan zu sein. Anscheinend hat er vor, sich nicht um Ferruccios Ruf zu scheren, genauso wenig wie darum, dass er unehelich geboren wurde. König Benedetto will unbedingt, dass er in Castaldinien investiert.“
„Du meine Güte, Stella“, erwiderte Luci zynisch, „du bist wirklich kein Paradebeispiel für die Tugenden einer Person von rein königlichem Geblüt. Es wäre doch unfair, wenn eine untadelige Geburt uns alle zu gemeinen Zicken machen würde.“
Stella machte einen Schmollmund. In Gegenwart von Männern zeigte sie nur beste Manieren, doch unter ihresgleichen ließ sie die Maske fallen. „Da du einer Mischehe entstammst, brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen, Luciana“, rief sie. „Aber warte, vielleicht bist du ja die perfekte Beute für ihn, denn du hast immerhin genug verdünntes blaues Blut in den Adern, um ihm zu mehr Legitimität zu verhelfen. Und da er ja auch einiges zu bieten hat, empfehle ich dir: Schnapp ihn dir.“
Während Luci ihren verbalen Schlagabtausch mit Stella fortsetzte, entfernte sich Clarissa, weil sie keine Lust auf Stellas giftige Bemerkungen hatte. Außerdem hallte jener magische Moment von vorhin noch in ihr nach. Es war egal, dass es nur eine Illusion gewesen war, denn sie besaß eine ungeheure Kraft.
Clarissa hatte sich bereits ein ganzes Stück durch die Menge gebahnt, als sie sich plötzlich beobachtet fühlte und sich umdrehte. Und tatsächlich. Sie sah, dass der Mann hinüber zu der Stelle ging, an der sie vorhin gestanden hatte, und zu ihr herüberblickte. Kam er zu ihr? Hatte sie sich getäuscht, als sie in seinem zweiten Blick nur Kälte gelesen hatte? Unwillkürlich machte sie kehrt, blieb aber stehen, als er zu Luciana und Stella trat. Ob er wohl nach ihr fragen würde?
Der Blick, mit dem die beiden Frauen ihn empfingen, sprach Bände. Clarissa stand jetzt nah genug, um genau mitzubekommen, wie schnell sie in den Bann seiner tiefen, samtweichen Stimme gerieten. Jedes Wort war eine Einladung zum Flirt.
Ihr wurde flau im Magen, und sie wandte sich fluchtartig ab. Fast rannte sie hinaus aus dem Ballsaal und eilte auf die Terrasse. Dort rang sie nach Atem, sog begierig die frische Nachtluft ein.
Reiß dich zusammen, du Dummkopf!, schalt sie sich. Du hast dir das alles nur eingebildet. Sowohl die Anziehungskraft als auch die Ablehnung. Wahrscheinlich hat er die ganze Zeit nur Luciana angesehen. Oder er schaut jede Frau, die ihm begegnet, auf diese Weise an.
Sie musste sich zusammenreißen.
Also trat sie in den Schatten und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Sie war eine lausige Prinzessin, aber ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie eine aktive Rolle am Hof und im Königreich übernahm. Die Rolle der fehlenden Königin. Ihrer Mutter. Es war seit ewigen Zeiten das, was er von ihr verlangte, und sie hatte nicht vor, es ihm abzuschlagen.
Daher straffte sie sich und wollte mit energischen Schritten zurück in den Ballsaal gehen, doch gleich darauf prallte sie gegen einen muskulösen, stahlharten Körper. Es war der Fremde.
Sie taumelte, wollte sich entschuldigen und an ihm vorbeischlüpfen, doch er vertrat ihr den Weg. Es gab kein Entrinnen. Clarissa hob den Blick, und was sie in seinen Augen las, verschlug ihr den Atem.
Wieder spürte sie diese magische Anziehungskraft, diese elektrisierende Nähe. Ihr wurde schwindlig, doch sie hörte seine dunkle, warme Stimme genau, mit der er
Weitere Kostenlose Bücher