Heirate nie einen Italiener
gelang es ihm, den Gedanken an Helen wieder zu verdrängen – bis zum späten Abend jedenfalls. Nach der Rückkehr nach Palermo ging er zu seiner Mutter, um ihr eine gute Nacht zu wünschen.
“Das haben wir doch gut hinbekommen, findest du nicht?”, fragte sie ihn zufrieden.
“Das kann man wohl sagen”, stimmte er ihr zu. “Ich hatte allerdings bis zum letzten Moment Zweifel, ob unser Plan aufgeht.”
“Ich nicht”, erwiderte seine Mutter. “Seit dem Abend, an dem mir Bernardo sein Herz ausgeschüttet hat, wusste ich, dass nichts und niemand diese Hochzeit verhindern kann.”
“Und was hat dich so sicher gemacht?”
“Seine Augen”, antwortete Baptista. “In seinen Augen habe ich gesehen, dass Angie und er zusammengehören. Und wenn ich mich nicht sehr täusche, sehe ich in deinen Augen etwas ganz …”
“Du hast schon die Ehen meiner Brüder eingefädelt”, fiel er ihr ins Wort. “Bitte versuch das nicht auch noch bei mir.”
“Ich hoffe sehr, dass es nicht nötig sein wird.” Baptista lächelte vielsagend. “Und so oft, wie du von Elena sprichst …”
“Tue ich das wirklich?”, fragte er alarmiert, ohne sie aussprechen zu lassen. “Selbst wenn, kannst du dir das aus dem Kopf schlagen. Sie ist so gut wie verlobt. Noch bestreitet sie es zwar, aber mir kann sie nichts vormachen. Ich rechne täglich mit der offiziellen Nachricht.”
“Bist du deshalb in letzter Zeit so mürrisch?”
“Ich bin nicht mürrisch”, erwiderte er mürrisch. “Gute Nacht, Mamma.”
“Gute Nacht, mein Junge.”
Helen war im Elroy aufgehalten worden, und als sie am Flughafen ankam, sollte die Maschine aus Rom längst gelandet sein. In der Sorge, dass sich Lorenzo ein Taxi genommen hatte, weil sie ihn entgegen ihrer Zusage nicht abgeholt hatte, lief sie in die Halle.
Ihre Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, denn Lorenzo war nirgends zu sehen. Ein zufälliger Blick auf die Tafel mit den Ankunftszeiten ließ sie aufatmen. Der Flug aus Rom kam noch später an als sie, und die Maschine befand sich noch in der Luft.
Erleichtert setzte sich Helen in eine Bar und bestellte einen Kaffee. Wie ihre Reaktion deutlich bewies, fieberte sie dem Wiedersehen mit Lorenzo förmlich entgegen.
Es war schon erstaunlich, wie oft sie seit seiner Abreise an ihn hatte denken müssen – erst recht, wenn man bedachte, dass sie völlig ausgelastet war.
Tagsüber arbeitete sie als Eriks Assistentin, was ihr in jeder Hinsicht viel Freude bereitete. Abends war sie häufig ausgegangen, mal mit diesem, mal mit jenem Mann, der eine jünger, der andere weniger jung, dieser ein reicher Geschäftsmann und jener ein armer Student. Alle waren auf ihre Weise überaus zuvorkommend gewesen – und jeder auf seine Weise gähnend langweilig. Jedenfalls war es keinem von ihnen gelungen, ihr auch nur ein einziges Lächeln zu entlocken, geschweige denn ein herzliches Lachen.
Wie wichtig es war, in jeder Lebenslage den Humor zu behalten und genau dann einen Scherz zu machen, wenn niemand damit rechnete, wusste sie selbst erst, seit sie Lorenzo begegnet war. Doch seither wollte sie es nicht mehr missen.
Seit fast drei Monaten hatte sie ihn nicht gesehen, und daran hätte sich möglicherweise auch nichts geändert, wenn man im Elroy nicht beschlossen hätte zu expandieren.
“Ich darf es dir zwar eigentlich nicht verraten”, hatte sie Lorenzo am Telefon erzählt, “aber die Elroy Company hat in mehreren Städten der USA Hotels aufgekauft. Die Verträge mit sämtlichen Lieferanten stehen zur Neuverhandlung an.”
“Ich bin schon unterwegs”, hatte Lorenzo erwidert.
In wenigen Minuten würde sein Flugzeug landen. Er würde durch die Zollkontrolle kommen und sich nach ihr, Helen, umsehen. Ein Blick in sein fröhliches Gesicht würde sie mehr erwärmen als die sengende Junisonne, die unerbittlich vom Himmel brannte.
Doch fast zwei Stunden vergingen, ohne dass die Ankunft des Fluges aus Rom durchgesagt wurde. Besorgt ging Helen zur Aufsicht und erkundigte sich nach den Gründen für die Verspätung.
“Es gibt technische Probleme”, erklärte ihr ein freundlicher junger Mann. “Das Fahrwerk lässt sich nicht ausfahren, und nun kreisen sie dort oben und versuchen den Schaden zu beheben.”
“Und wenn es sich nicht reparieren lässt?”, fragte sie ängstlich.
“Dann muss die Maschine notlanden.”
Voller Sorge ging Helen zu dem großen Fenster, von dem aus man die Landebahn überblicken konnte. Es fiel ihr schwer, das Gefühl
Weitere Kostenlose Bücher