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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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uns in die riesige Scheune, in der eine Unzahl von kleinen Zimmern durch Holzwände voneinander abgetrennt war. In der Mitte des Raums hatte jemand kleine Hütten errichtet mit Fensterchen, Vorhängen und Holzdächern, die knallrot angemalt waren. Es war alles andere als luxuriös, aber irgendwie gefiel mir der rustikale Charme. Und für die Kinder der Gäste wäre dieses kleine Dorf in der Scheune ein Traum. Frau Holler zeigte uns den See, der nur einen Hechtsprung entfernt gleich hinter dem Gutshaus lag. Der Schnee fiel still auf die glatte, weiße Fläche; der von Schilf gesäumte Steg schien über dem Eis zu schweben. Trotzdem strahlte der See etwas von Sommer aus, ich sah mich im weißen Kleid auf dem Steg drapiert,die nackten Füße im Wasser, ein Glas Champagner in der Rechten, einen Wiesenblumenstrauß in der Linken. Verstohlen drückte ich Georgs Hand, und er nickte. Ihm gefiel es auch. Als wir wenig später an dem alten Holztisch in der Küche des Gutshauses saßen, Frau Holler Tee kochte und wir die obligatorische Mappe mit den Beispielbildern von anderen Hochzeiten durchblätterten, war die Sache für uns endgültig klar. Die Fotos zeigten lange, gedeckte Tafeln, die sich wie Weißer-Riese-Wäscheleinen über grüne Wiesen erstreckten, weiße Tücher, die im Wind flatterten, Kinder, die lachten und planschten, Brautpaare, die strahlten.
    »Wie sähe denn so ein Abendessen bei Ihnen aus?«, fragte Georg.
    Frau Holler stellte uns einen Teller mit Haferkeksen hin, setzte sich zu uns und begann, vom hofeigenen Gemüsegarten zu erzählen, von dem Wildkräutersalat, den sie bei Hochzeiten gerne machten, von frischen Tomaten und dem Feigenbaum hinten im Garten, und dass sie gern auch mal ein Schwein aus eigener Haltung schlachteten, um es im Ganzen über offenem Feuer am Spieß zu braten.
    »Schweine aus eigener Haltung«, wiederholte Georg entzückt und biss ein Stück von seinem Keks ab.
    »Bunte Bentheimer Landschweine«, sagte Frau Holler.
    »Bunte Bentheimer Landschweine«, murmelten wir ehrfürchtig und versuchten, uns unsere Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Es war nicht so, dass wir Quinoa-Schnitzel kategorisch ablehnen würden, aber wir hatten einmal Fleisch vom Bunten Bentheimer Landschwein probiert, erst als Leberwurst, dann als Kotelett, und zwar in einem Gourmetrestaurant in München, wo wir uns vor ein paar Monaten ein Vier-Gänge-Menü geleistet hatten – für einen Betrag, den wir unmittelbar nach Unterzeichnungdes Kreditkartenbelegs für immer verdrängt hatten. Wir hatten später verzweifelt einen Berliner Metzger gesucht, der Fleisch vom Bunten Bentheimer im Angebot hatte. Fehlanzeige. Vermutlich ist es sogar in Kasachstan leichter, gutes Fleisch zu bekommen, als in Kreuzberg.
    »Ja, wir schlachten regelmäßig«, sagte Frau Holler und deutete auf ein Regal in der Ecke der Küche, in dem verschiedene Einmachgläser aufgereiht waren. Wir sprangen auf und lasen die Etiketten: Jagdwurst, Blutwurst, Mett mit Schnauze. Und: hausgemachte Leberwurst! So glücklich hatten Georg und ich uns nicht mehr angesehen, seit wir uns das Eheversprechen gegeben hatten. Wir hatten den Mietvertrag quasi schon unterschrieben, als Frau Holler uns fragte, ob wir nicht noch einen Blick in den Festsaal werfen wollten.
    »Ach so, na gut, dann machen wir das mal.«
    Wir hielten uns an den Händen und grinsten uns an. Das Glück war auf unserer Seite!
    Als Frau Holler das schiefe Holztor aufstieß, das sich auf der Rückseite des Gutshauses befand, nein, das an der Rückseite des Gutshauses lehnte, verging uns das Lachen.
    »Moment, ich will kurz Licht machen«, sagte sie und verschwand im muffigen Dunkel.
    »So!«
    Was die Neonfunzel an der Decke beleuchtete, machte einen noch grausigeren Eindruck, als die Düsternis des abstellkammerartigen Raums uns hatte befürchten lassen. Die unverputzten Wände waren mit roten Stoffbahnen bespannt, die zerfetzt herunterhingen. Schäbige Bierbänke waren an die Wände gelehnt. Ein paar Plastikstühle lagen kreuz und quer im Raum. Vor der kleinen Bühne am Ende des »Festsaals« hing ein Glitzervorhang, der nicht nur halb heruntergerissen, sondern auch völlig zerschlissen war. Alswir näher traten, schreckten wir ein Huhn auf, das es sich in einem alten Pappkarton auf der Bühne gemütlich gemacht hatte.
    »Da oben baut sich normalerweise der DJ auf. Ist auch eine tolle Bühne für Aufführungen und Spiele. Gefällt sogar den Hühnern, wie Sie sehen!«
    Sie lachte gackernd.

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