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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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Wohnzimmertür hinter sich geschlossen hat. Ich habe ihn nicht einmal angesehen. Ich habe nur empört den Kopf in den Nacken geworfen, als sei ich Linda Evangelista. Dabei bin ich nur ich.
    Unter anderen Umständen würde ich jetzt Lala anrufen, aber das geht nicht, weil ich an allem schuld bin und Lala die Eigenschaft hat, grundsätzlich dem recht zu geben, der gerade recht hat – was in meiner Situation nicht geradeeine psychologische Pralinenpackung und also wenig tröstlich wäre.
    Das Kleid ist immer noch wunderschön, sogar, wenn es nur wie jetzt auf einem Haufen ungewaschener Hemden liegt. Aber es versetzt mir einen Stich, so wie einem manche schönen Frauen einen Stich versetzen, wenn man sie zufällig auf der Straße oder im Café sieht, Frauen, die mit einer solchen Erhabenheit schön sind, dass einem völlig klar ist: Egal, wie schlank man wäre, egal, was für teure Kleidung man tragen würde, egal, ob es einem gelänge, endlich einen perfekten Lidstrich zu ziehen, man wird niemals in ihrer Liga spielen. Dieses Gefühl hat nichts mit Neid zu tun, nichts mit Eifersucht. Nur mit der Erkenntnis, wie weit entfernt man von der Perfektion ist. Wahrscheinlich würde mir dieser Zweitausend-Euro-Fummel auch dann nicht stehen, wenn ich zehn Kilo leichter wäre. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht gemacht dafür.
    Das Kleid auf dem Klamottenberg. Es ist da hindrapiert wie auf einem Foto in einem Modemagazin.
    Ich versuche durchzuatmen, und diesmal gelingt es mir besser.
    Ich lächle mich im Spiegel an, streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht, gehe in die Küche, hole aus dem Kühlschrank zwei Flaschen Bier und öffne leise die Wohnzimmertür.

    Von: »Kristin Engels«
    An: »Charlotte Michalski«
    Betreff: Die Einladung!
    Datum: 4. April
    liebe charlotte,
    eure hochzeitseinladung ist heute gekommen, grazie mille, sektempfang, buffet, musik und tanz, das klingt ja alles ganz super. nur ein detail verwirrt mich ein wenig – wieso soll die trauung denn plötzlich in einer kirche stattfinden? nein, ich bin nicht blind, natürlich sehe ich, dass auf der karte »standesamtliche trauung« steht. trotzdem: lotte, das geht nicht! du kannst doch nicht in einem gotteshaus heiraten, wenn du gar nicht an gott glaubst! du kannst doch deine überzeugungen nicht für ein bisschen kulisse preisgeben! hat dir jemand ins hirn geschissen?
    na ja, nichts für ungut. hin und wieder muss einfach mal jemand mit dir schimpfen. und wenn georg das nicht tut, dann eben ich. auf die hochzeit freue ich mich natürlich trotzdem.
    deine kristin

[Menü]
    Noch fünf Wochen …
    Kann man noch tiefer sinken?
    Verlegen an einer Selleriestange knabbernd, tippe ich www.ebay.de in den Browser, dann »Brautkleid kurz« in das Suchfeld, und noch ehe die Trefferliste angezeigt wird, poppt in meinem Kopf ein Fenster auf, in dem folgende zwei Worte blinken:
    SCHLECHTES GEWISSEN.
    SCHLECHTES GEWISSEN.
    SCHLECHTES GEWISSEN.
    Um mit Paris Hilton zu sprechen: Oh my god . Ich habe keine Ahnung, wie ich Lala erklären soll, dass ich inzwischen so weit bin, auf eBay nach einem Kleid zu suchen. Bestimmt hat sie wieder eine passende Story von einer Freundin ihrer großen Schwester parat, die davon handelt, wie sich erst während des Hochzeitstanzes das eBay-Kleid auflöste und ein paar Monate später die Ehe in die Brüche ging. Sie erzählt mir in letzter Zeit ständig solche Geschichten: die von dem Bräutigam, der kurz nach der Trauung seinen handwarmen Ehering im Schnee verloren hat, woraufhin die versammelte Hochzeitsgesellschaft eine Wiese mit dreißig Zentimetern Neuschnee umgraben musste, natürlich ohne Resultat, und ein Jahr später war die Ehe am Ende. Die von der Braut, die, da sie ja schon etwas Altes, etwas Neues und etwas Gebrauchtes trug, glaubte, zum Thema »blau« würde eine leichte Likörfahne genügen. Die von dem besonders emanzipierten Hochzeitspaar, das dachte, es könnedie Regel umgehen, dass der, der beim Anschneiden der Torte das Messer führt, später in der Ehe das Sagen hat, und deshalb die Torte getrennt anschnitt: Die eine Seite des ersten Stücks löste er aus, die andere sie. Kurze Zeit später saßen die beiden beim Scheidungsanwalt, er mit blauem Auge links, sie mit blauem Auge rechts. Ich habe versucht, Lala zu sagen, dass solche Storys fünf Wochen vor der Hochzeit einem nicht gerade das verleihen, was man Flügel nennt, worauf sie geantwortet hat: »Was dir fehlt, sind auch keine Flügel, sondern ein Ansatz von Bewusstsein

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