Heiraten für Turnschuhträgerinnen
einfach ein Croissant zum Frühstück, da kann ich meinem Körper gut zureden, wie ich will.
Als der Kellner nach dem Essen den Tisch abräumt, bin ich immer noch hungrig, und als er fragt, ob wir ein Dessert nehmen, werde ich schwach. Fast. Es ist die schwerste Entscheidung meines Lebens, aber ich lehne ab.
»Wenn du willst, nehme ich mir nächste Woche frei, dann können wir in ein paar von diesen Brautmodeläden gehen und gucken, ob wir irgendetwas für dich finden«, sagt Georg und leckt einen Berg Tiramisu von seinem Löffel. Tiramisu! Inzwischen habe ich richtig schlechte Laune.
»Ich will aber nicht in einen Brautmodeladen!«
»Warum denn nicht? Die werden sicher auch ein paar nette Kleider haben … Kann doch nicht sein, dass dieses Schöneberger Boutiquen-Brautkleid das einzig Akzeptable in der ganzen Stadt ist!«
»Ich kann aber nicht in einen Brautmodeladen!«
»Aber warum denn?«
»Schau mich an! Wenn ich in meinem Zustand in ein Brautkleid steige, sehe ich aus wie ein Schneemann!«
»Aber wenn du doch jetzt Diät machst?«
»Dann kann ich in sechs Wochen in so einen Laden gehen. Frühestens! Also zu unserem Hochzeitstermin!«
Ja, ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass es in meiner Situation völlig idiotisch ist, der Vision eines idealen Hochzeitskleides hinterherzujagen, das es wahrscheinlich gar nicht gibt. Ja, ich bin verzweifelt. Meine Nervosität steigt stündlich! Und ja, es macht die Sache nicht leichter, dass dabei auch noch mein Magen immer nervöser wird. Tag und Nacht sitze ich karottenknabbernd vor dem Internet und klicke mich durch das Klamottenangebot von amerikanischen, australischen, französischen, italienischen und schweizerischen Onlineshops, in der Hoffnung, irgendwo ein Stück Stoff zu finden, das als Brautkleid taugt, aber gegen das Marlene-Marc-Kleid fällt alles andere ab. Es ist, als hätte ich einmal mit George Clooneygeschlafen und würde jetzt versuchen, einen neuen Mann zu finden. In einem Fußballstadion. Gerade versuche ich es sogar auf einer japanischen Seite, aber da klingelt das Telefon, zum Glück, denn über die Startseite wäre ich ohnehin nicht hinausgekommen. Es ist Georg, und er klingt gehetzt.
»Was ist los, Liebster?«
»Diese Frau Homeier vom Standesamt Milow hat gerade angerufen. Sie wollte wissen, warum ihr noch keine Anmeldung zur Hochzeit von uns vorliegt!«
»Aber wir haben uns doch angemeldet!«
»Na ja, wir haben einen Termin reserviert . Wir müssen aber noch auf das Standesamt in Berlin, um uns zur Hochzeit anzumelden. Die Berliner schicken unsere Unterlagen dann nach Milow, ohne das läuft gar nichts.«
»Diese gottverdammten Bürokraten! Wahrscheinlich ist es unkomplizierter, einen Waffenschein zu kriegen«, stöhne ich.
»Ich könnte mir morgen freinehmen.«
»Ist das so eilig?«
»Die Frau meinte, ohne Anmeldung könne sie unseren Termin nicht weiter reservieren!«
Wir sind ein bisschen nervös, als wir am nächsten Morgen die Stufen zum Standesamt hinaufgehen – nicht, weil uns in irgendeiner Weise romantisch zumute wäre, sondern weil unser ganzes verdammtes Fest auf dem Spiel steht. Wenn wir diesen Termin nicht mehr kriegen, können wir sehen, wo wir im Internet Aus ladungskarten herbekommen. Außerdem habe ich Angst, auf den Fluren des Amtes irgendwelchen aufgeregten Bräuten zu begegnen. Zeugedes Liebesglücks anderer Menschen zu werden, befremdet mich schon in der U-Bahn, und um ganz ehrlich zu sein: Eigentlich möchte ich am liebsten die einzige Frau auf der Welt sein, die heiratet. Der Gedanke daran, dass tagtäglich Hunderte Bräute aus deutschen Standesämtern herausmarschieren, macht das Ganze zu so etwas wie einer Kfz-Zulassung – irgendwie gewöhnlich .
Allerdings kommen wir ohnehin nicht besonders weit. Schon an der ersten Tür empfängt uns ein Schild, auf dem dick und breit steht:
Um lange Wartezeiten zu vermeiden, sind Anmeldungen zur Eheschließung nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Setzen Sie sich hierzu bitte persönlich oder telefonisch mit uns in Verbindung.
Ratlos starren wir auf das Schild, bis wir ausweichen müssen, weil ein Paar mit einem Neugeborenen an uns vorbeiwill. Die Tür öffnet sich, und wir können einen Blick in den langen Gang werfen, von dem nummerierte Türen abgehen. Der Gang ist voll, Dutzende Menschen sitzen, stehen, gucken aus dem Fenster, lehnen sich erschöpft an die Wände. Bräute sind zum Glück nicht dabei. Ich sehe mich um und entdecke ein Schild:
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