Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Briefumschläge. Dass er auch seinen Anzug für die Hochzeit im Netz erstanden hat, verschweige ich lieber, bei dem Gesicht, das Lala jetzt macht. »Inzwischen hat er das Gefühl, dass das Internet so was wie der Himmel ist. Ein Paradiesgarten, in dem man sich alles, was man braucht, einfach pflücken kann.«
»Ja, aber eine Brautvater-Rede? «
Ich verziehe schmerzlich das Gesicht.
»O Gott, das kann ja nur peinlich werden«, sagt Lala.
Gut kombiniert, Watson.
Lala nimmt noch einen Schluck Kaffee und stellt die Tasse wieder auf den Tisch. Wir schweigen. Wir haben nichts mehr zu tun, die Menükarten sind gefaltet, die Tischkärtchen beschriftet, die Pappschächtelchen sind mit Hochzeitsmandeln gefüllt und die Armbändchen für die Gäste so vorgeknotet, dass Lala am Samstag nur noch die Blumen daran festbinden muss. Natürlich haben wir auf ein paar Deko-Ideen dann doch verzichten müssen. Die Papierrosen-Girlanden zum Beispiel hätten wir aus den USA bestellen müssen, was bedeutet hätte, dass sie niemals schnell genug angekommen wären. Die Cupcakes mit den Zuckerrosen habe ich mit Rücksicht auf Georg gestrichen, die Brautmiederwaren in Anbetracht meiner Würde. Dafür stecken meine Füße in meinen Brautschuhen, die müssen schließlich eingelaufen werden. Es sind weiße Chloé-Pumps, die seit zwei Jahren dekorativ ganz oben in Lalas Schuhregal standen und die sie bis jetzt nur ein einziges Mal getragen hat, und das vor dem Spiegel, denn Lala hat sie eigentlich gekauft, weil sie perfekt zu ihrem weißen Jil-Sander-Seidenkleid passten, das sich dann aber als so durchsichtig erwies, dass man sogar den kleinen Leberfleck auf ihrem Hintern sah. Unsere Eheringe sind sicher in meinerBrauthandtasche verstaut, zusammen mit dem Personalausweis und vier Päckchen Tempos. Sie sind wunderschön geworden, schlicht, elegant, zeitlos, das musste sogar Georg zugeben, und sie waren gar nicht so viel teurer als der Zierrat, den es bei anderen Juwelieren gibt. Ich habe mich mit Urban getroffen, einem Fotografen aus Georgs Redaktion. Und Georg hat Bene, Paul und Daniel gebrieft, die schon drei Plattenkisten voller Hits zusammengepackt haben und sich wie die Schnitzel freuen, endlich einmal wieder auflegen zu dürfen. Für den Vorabend der Hochzeit haben wir einen Tisch reserviert, für sechs Personen: Georgs Eltern, meine Eltern, wir. Heiner wird uns seinen Kombi leihen, den brauchen wir, nachdem Lala auf die Idee gekommen ist, dass es nett wäre, allen Gästen kleine Schachteln auf die Zimmer zu legen, in denen sich Aspirin, Taschentücher, Blasenpflaster, Erfrischungstücher und Schokolade befinden – kleine Erste-Hilfe-Sets, die etwas größer ausgefallen sind und jetzt zwei Umzugskisten füllen, die unseren Flur fast völlig blockieren. Ich habe sogar meine Mutter angerufen und ihr gesagt, ich hätte meine Tage bekommen und mich wohl geirrt. Sie hat es verkraftet, zum Glück, und hat vor allem nicht noch einmal mit der kirchlichen Hochzeit angefangen.
Und: Ich habe eine Woche in einem Slow-Food-Hotel in Südtirol gebucht, und Georg hat nicht bemerkt, dass das nicht in Österreich, sondern in Italien liegt!
Alles ist organisiert, und das ist schrecklich, denn jetzt kann ich keine Entscheidungen mehr treffen, ich muss die Kontrolle abgeben und kann einfach nur noch zusehen, wie sich alles entwickelt. Es gibt kein Bestellformular mehr, in dem ich ankreuzen kann, ob ich den Himmel lieber cyan- oder hellblau will, und ich kann keine Eilbestellung mehr aufgeben, damit UPS ein Päckchen mit derVersicherung liefert, dass alles klappt und gut wird. Ich kann nur noch »Ja« sagen. Komischerweise macht mir dieser wichtigste Teil der Übung am wenigsten Angst, egal, wie oft Georg und ich in den letzten Wochen gestritten haben. Ich will ihn heiraten, das ist und bleibt sicher.
Tausend Dinge schießen mir durch den Kopf. Werden sich Georgs und meine Eltern mögen? Wird die Trauung schön? Hält die wasserfeste Wimperntusche, die ich mir extra gekauft habe, wirklich? Schmeckt den Gästen der Wein? Sind auch wirklich genügend Zimmer reserviert? Warum hat meine alte Freundin Melissa abgesagt, ohne Erklärung? Gut, ich habe sie seit sechs Jahren nicht gesehen, aber wir waren doch zusammen im Kindergarten und …
»Was ist eigentlich mit deinem Kleid?«, fragt Lala in die Stille hinein.
Ich zucke zusammen und spüre, wie mein Herz ganz schnell zu schlagen beginnt. Das Kleid. Ich werde erst rot, dann weiß, dann …
»Du bist ja ganz
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