Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Tür aufzumachen. Gott, gleich bekommen wir unsere Eheringe!
»Bist du etwa nervös?«, fragt er lächelnd.
»Quatsch«, behaupte ich und weiche seinem Blick aus, denn in Wirklichkeit bin ich so aufgeregt wie früher, wenn ich an Weihnachten kurz vor der Bescherung noch einmal in mein Zimmer musste und mit rasendem Herzen mein Ohr gegen die Tür presste, um anhand der Geräusche aus dem Wohnzimmer zu erraten, ob endlich der große Chemiebaukasten unter den Geschenken war. Die Mikrowelle ist mir nämlich irgendwann zu langweilig geworden.
Stuck, ein heller Kronleuchter, dunkelgrüner Teppich – auf den ersten Blick sieht der Laden eher wie eine Hotellobby aus. Auf dem antiken Tisch liegt eine antike Lupe, eine alte Bibliotheksleuchte taucht sie in warmes Licht. Ansonsten steht nur ein weiteres Möbelstück im Raum, eine kleine, mit dunkelgrünem Samt ausgelegte Vitrine, in der nur ein einziges Silberarmband liegt.
»Charlotte?«, ruft es aus dem Hinterzimmer.
Aus meinem Mund kommt ein »Ja«, seltsam brüchig.
»Wie schön, dass ihr da seid!«
Der Mann, der mit offenen Armen auf uns zukommt, ist angezogen wie Karl Lagerfeld und hat eine Frisur wie Johnny Depp – allerdings wie Johnny Depp in »Fluch der Karibik«.
»Was war denn das für eine Tunte?«, fragt Georg, als wir wieder auf die Straße treten. Gott, warum kann er sich nicht einfach mal freuen? Das Gespräch ging ganz schnell. Carl hat uns gefragt, welche Formen uns gefallen und welche nicht, wir haben gemeinsam Dicke, Breite und Material bestimmt, er hat uns ein paar Vorschläge gemacht, und dann war die Sache erledigt. Er wird uns bis nächste Woche wunderbare Ringe anfertigen, schön und schlicht und ohne Lametta. Und aus einem Weißgold, in das ein Tröpfchen Rotgold gemischt ist, das ihnen einen geheimnisvollen Schimmer verleiht, aber nur, wenn man ganz genau hinschaut.
»Ach komm, Carl ist doch nett!«
»Die Frisur? Der Stehkragen? Außerdem hat er sich aufgeführt wie Tante Waltraud!«
»Hey, dir hat nur nicht gefallen, dass er deine Hand berührt hat«, verteidige ich den Mann, den ich im Herzen sofort zu meinem neuen besten Freund ernannt habe, gleich nachdem er meine Hände als herrlich grazil bezeichnet hat. Glücklicherweise hatte ich mir vor dem Termin extra die Fingernägel manikürt. Aus Gründen, die mir bislang verborgen geblieben sind, sind die bei mir nämlich immer schmutzig.
»Berührt? Er hat mir fast die Hand abgeschleckt!«
»Er hat nur gesagt, dass deine Hände perfekt sind für Ringe. Männlich, aber zart. Das war doch total charmant!«
»Jaha, männlich, aba zaaaaht«, imitiert ihn Georg näselnd. »Und als er mir in meine Jacke geholfen hat, hat er mir den Rücken gestreichelt!«
»Aber doch nur freundschaftlich! Warum regst du dich so auf? Er hat dir doch keinen Zungenkuss gegeben!«
Georg schnaubt, und sein Blick sagt, dass er nicht mehr über das Thema reden will. Was mir egal ist. Wir bekommen unsere Ringe! Aus Carl Roloffs Weißgold-Spezial-Mischung!
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Noch eine Woche …
To-do-Liste Hochzeit
3–5 Monate vorher
– Flitterwochen planen/Urlaubsantrag stellen
– Programm für den Hochzeitstag festlegen
– Versicherungen überprüfen
2 Monate vorher
– Brautstrauß bestellen
– Dankeskarten auswählen
– Hochzeitsgarderobe anprobieren und falls nötig ändern lassen
– Make-up auswählen (mit Visagist)
1 Monat vorher
– Tischplan erstellen
– Solariumsbesuche beginnen
– Redner briefen
nach der Hochzeit
– Dankeskarten versenden
Das ist alles, was noch auf unserer To-do-Liste steht. Sie würde mich nicht weiter beunruhigen, würde mir ein Blick auf den Kalender nicht sagen, dass es nur noch sieben Tage bis zum 11. Mai sind.
Sieben Tage!
Sieben Tage!
Eigentlich wäre die Liste noch viel, viel länger, aber vor einigen Tagen haben Georg und ich sie noch einmal durchgesehen und auf seine Anweisung hin ein paar Punkte gestrichen:
– Spiele (»Geht’s noch?«)
– Oldtimer/Kutsche (»Wir leihen uns den Fiesta von Thomas«)
– Polterabend (»Damit sich alle verausgaben und am nächsten Morgen total verkatert sind?«)
– Budget erstellen (»Wir sparen am Deko-Quatsch, dafür nicht an der Party«)
– Blumenschmuck (»Hast du schon mal Leute Blumen essen sehen?«)
– Hochzeitstorte (»Ich dachte, wir hätten darüber geredet, Lotte!«)
– Ehevertrag (»Wir vertrauen uns doch, mein Schatz!«)
Und dann gab es noch ein paar Punkte, die wir zwar gestrichen haben, aber
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