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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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nur auf der Liste und nicht in meinem Kopf: Platzkarten, Menükarten, Tischdekoration. Ich weiß nicht genau, ob das an Lalas Einfluss oder an meiner wachsenden Nervosität liegt, aber vor Kurzem ist in mir ein seltsamer Perfektionismus erwacht. Noch vor zwei Monaten habe ich behauptet, dass uns dieser Hochzeitsindustrie-Irrsinn am Allerwertesten vorbeigeht, dass wir für unsere Hochzeit nicht mehr als ein Kleid, einen Anzug, zwei Ringe und all unsere Freunde brauchen. Jetzt tausche ich mit Lala heimlich Entwürfe für die Menükarten aus.
    Und Bilder von Chloé-Pumps.
    Und von Gucci-Taschen.
    Inzwischen bin ich auch sicher, dass ich unbedingt ein Bolerojäckchen brauche, es könnte ja sein – und die Sorge finde ich absolut nicht unberechtigt –, dass es abends frisch wird. Lala sieht das genauso: Nur ein Narr würde sich in Deutschland auf den Sommer verlassen.
    Lala hat mich auch auf die Idee gebracht, dass es total hübsch aussehen würde, wenn alle Hochzeitsgäste kleine Schleifchen ums Handgelenk tragen, natürlich passend zu unseren Corporate Colors, bei denen wir uns nun endgültig auf Pariserblau und Cremeweiß festgelegt haben.
    Es hat sechs Stunden gedauert, bis ich im Internet genau die passenden Bändchen gefunden habe.
    Und noch einmal zwei, bis ich die Floristin um die Ecke so lange bequatscht hatte, bis sie versprach, uns einhundert Sträußchen Vergissmeinnicht zum Großmarktpreis zu überlassen. (Bestandteil dieses Gesprächs waren zwei Schokoladentörtchen vom Bäcker Kronberger, die ich zu Bestechungszwecken auf den Tresen gestellt hatte.)
    Außerdem habe ich mir von einem Spezialanbieter ein Degustationsset mit einer Auswahl verschiedener Hochzeitsmandeln schicken lassen. Ich habe ewig hin und her probiert, aber am Ende haben italienische Avola-Mandeln mit französischer Dragierung und Tahiti-Vanille das Rennen gemacht. Das Päckchen müsste jede Minute hier ankommen.
    Bei einem anderen Spezialanbieter habe ich kleine Pappschachteln für die Mandeln erstanden. Sie passen farblich so gut zu den Armbändchen, dass Lala auf die Idee gekommen ist, sie ebenfalls mit Vergissmeinnicht-Sträußchen zu dekorieren, weswegen ich noch mal ein Schokoladentörtchen kaufen gegangen bin, um damit bei der Floristin weitere hundert Sträußchen Vergissmeinnicht zu ordern.
    Neulich habe ich wieder den Stapel Brautmagazine durchgeblättert und dabei tolle Ideen entdeckt, zum Beispiel für lange Girlanden aus zarten Papierrosen, die wahnsinnig hübsch aussehen.
    Oder für Origami-Tischkärtchen, die wie Vöglein gefaltet sind.
    Und für niedliche, kleine, rosenverzierte Cupcakes, die, wenn man sie auf einer Etagere präsentiert, noch viel hübscher als eine schnöde Hochzeitstorte sind.
    Und wäre es nicht herrlich, man würde den ganzen Garten mit strahlenden weißen und blauen Lampions dekorieren?
    Und dann gibt es noch etwas, und ich kann es nicht zugeben, ohne rot zu werden: Ich fange sogar an, mir über Braut-Dessous Gedanken zu machen. Aber schließlich muss man ja irgendwas drunterziehen, oder nicht?
    Um es kurz zu machen: Mir ist das passiert, wovor mich Kristin gewarnt hat.
    Ich bin zur Braut mutiert.

[Menü]
    Noch zwei Tage …
    »Eine Fertig-Rede aus dem Internet? Ist er verrückt geworden?« Lala kriegt sich gar nicht mehr ein, sie steckt sich ein Choco Crossie nach dem anderen in den Mund. »Das kann er doch nicht machen? Er ist der Vater der Braut!«, mümmelt sie empört.
    »Ach, ich weiß auch nicht, was in ihn gefahren ist. Da hält er das Internet zwei Jahrzehnte lang für den Beweis, dass es die Hölle gibt, und zwar gleich hier auf Erden – und jetzt ist er seit Januar online und hat das Gefühl, er müsse im Leben überhaupt nichts mehr selber machen. Er verlässt kaum noch das Haus!«
    »Du musst mit ihm reden.«
    »Hab ich schon.«
    »Und?«
    »Er hat gesagt, dass er die Rede natürlich leicht abändern wird.«
    »Und das ist alles?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Er behauptet, dass er schon seit Wochen nachdenkt, aber ihm fällt nichts ein, und alles, was ihm einfällt, sei dumm und idiotisch. Er sagt, er könne seiner Freude über den Anlass keinen Ausdruck verleihen. Und dass er noch nie eine Rede gehalten hat. Und dass ich mir keine Sorgen machen soll, das Internet sei viel besser als sein Ruf.« Dann zähle ich auf, was er in den letzten Wochen online gekauft hat: Socken, Staubsaugerbeutel, Wanderkarten, Bahntickets, eineErsatzklinge für die Brotschneidemaschine, ein Tausenderpack

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