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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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geht zurück zu ihrer Nähmaschine. Schlagartig wird mir schwindelig.
    Ich sehe, wie Lala zu der Frau stürzt und auf sie einredet. Ich sehe, dass sie dabei gestikuliert wie eine italienische Mamma, die ihren Mann dazu zwingen will, den Müll runterzubringen. Ich sehe, wie das Gesicht der Frau erst starr bleibt, dann rot wird und schließlich explodiert wie eine Tomate, die man in die Mikrowelle legt.
    Kurz danach stehen Lala und ich wieder vor der Tür, wieder höre ich den Schlüssel, aber diesmal weiß ich, dass er das Schloss endgültig schließt.
    »Diese dumme Bitch«, schimpft Lala, und ich erschrecke. »So ein kompliziertes Wesen« ist normalerweise die maximale Boshaftigkeit, zu der sie in der Lage ist.
    »Diese atmende Amöbe!«, schimpft sie weiter. »Hat einfach behauptet, dass das Kleid nicht zu ändern ist, aber ich wette, sie war einfach nur sauer wegen der Störung! Oder zu bequem! Ich pack es nicht! Ein IQ unterhalb der Raumtemperatur! Und als ich gesagt habe, dass du in zwei Tagen heiraten willst, weißt du, was sie da gesagt hat? Viel Glück! Mit einem Tonfall, als wolle sie sagen: Verreck doch, du Vieh!«
    Lala hört nicht auf zu schimpfen, den ganzen Weg zurück nach Hause nicht. Ich sage nichts, denn mir ist so elend zumute, dass ich nicht einmal bemerke, wie ich den Bügel mit dem Kleid so niedrig halte, dass der Saum durch den Dreck auf dem Bürgersteig geschleift wird. Als ich endlich die Wohnung aufsperre, sieht es nicht besser aus, als ich mich fühle: völlig fertig.
    Dass Georg in der Küche steht und etwas in der Hand hält, das wie ein Kalbsschnitzel aussieht, hellt meine Stimmung nicht auf.
    Na gut, ein bisschen.
    Als er uns erblickt, läuft er uns entgegen, drückt Lala einen Kuss auf die Wange und mir einen auf die Stirn.
    »Da seid ihr ja endlich! Ich hatte schon Angst, dass ich übermorgen das hier zum Altar führen muss!«, sagt er und schwenkt das Schnitzel.
    »Könnte sein, dass das die bessere Wahl ist«, sage ich mit defätistischer Stimme.
    Georg starrt mich verständnislos an, dann sieht er das Kleid auf dem Bügel.
    »Was ist los?«, fragt er.
    Ohne zu antworten, verschwinde ich im Schlafzimmer. Einen Moment später stehe ich vor ihm, in meinem Polyesteralbtraum mit dem dreckigen Saum.
    »Oh«, sagt er.
    Ich schweige. Auch Lala sagt nichts.
    »Das ist ja viel zu groß!«
    »Ach, tatsächlich? «, sage ich mit der letzten Ironie, die ich in meiner Verzweiflung noch aufbringen kann. In Wirklichkeit bin ich beleidigt, verletzt, ich könnte heulen, auf der Stelle.
    »Das liegt nur daran, dass du in den letzten Wochen so dünn geworden bist!«, sagt Georg vorwurfsvoll.
    »So ein Quatsch!«
    »Doch! Schau mal in den Kühlschrank, der ist voll mit Sachen, die längst abgelaufen sind. Bei uns ist noch nie irgendwas abgelaufen!«
    »Doch, Karottensaft und Lätta«, sage ich trotzig, aber Georg geht nicht darauf ein.
    »Guck doch mal in den Süßigkeitenschrank, der quillt fast über! Du hast abgenommen, Lottilein!«
    »Blödsinn!«
    »Schau dich doch mal an!«, ruft er, nimmt meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer. Vor dem Spiegel dreht er mich nach rechts und links, zeigt auf meine Schlüsselbeine, auf meinen Bauch, meinen Hintern. Schließlich sagt Lala, die uns nachgeschlichen ist:
    »Georg hat recht. Du bist richtig abgemagert.«
    Jetzt sehe ich es auch. Ich befühle das Speckröllchen an meinem Bauch, das natürlich immer noch da ist, sich aber plötzlich nicht mehr wie ein Maxi-Döner, sondern eher wie eine türkische Pizza anfühlt – irgendwie schlanker. Ich will gerade die Sache mit der Nervosität und dem Appetit erklären, als Georg mich loslässt, in die andere Ecke des Zimmers läuft und anfängt, in dem Klamottenhaufen auf dem Sessel zu wühlen. Mit offenem Mund sehen Lala und ich zu, wie T-Shirts durch die Luft fliegen, meine Sommerblusen, dann die Übergangsjacke, die ich verzweifelt gesucht habe, als es neulich so regnerisch war. Meine Kuschelsocken landen auf dem Bett, mein altes Radiohead-T-Shirt, schließlich mehrere Pullis.
    Mit einem Mal bin ich so aufgeregt, dass ich mich übergeben könnte. Und als Georg schließlich das Kleid in die Höhe hält, kann ich nicht einmal hinsehen.
    »Aber das ist ja …«, stammelt Lala. »Ich dachte, ihr hättet es zurückgegeben?«
    »Das dachte ich auch«, murmle ich und sehe Georg verblüfft ins Gesicht. Doch der zuckt mit den Schultern und grinst blöd.
    »Ich weiß doch … Aber ich war mir so sicher, dass es dir

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