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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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vergangenen Woche vor jedem einzelnen dieser Schaufenster eine halbe Stunde verbracht habe. Ich habe das nicht ohne Schamgefühle getan, vor allem, nachdem mir aufgefallen ist, dass man als Frau, die allein vor einem Schaufenster voller Eheringe steht, von Passanten mit einem höchst mitleidigen Blick versehen wird.
    Was ich Georg ebenfalls nicht sagen kann, ist, dass wir auf dem Weg zu dem Geschäft von Carl Roloff sind, einem Goldschmied, der früher einmal etwas mit einem bekannten Galeristen hatte und inzwischen die gesamte Berliner Kunstszene mit kleinen Exquisitäten ausstaffiert. Lala hat mir seine Adresse gegeben. Der Art Director ihrer Agentur hat dort die Ringe für sich und seinen Freund anfertigen lassen, er hat die Adresse von einem schwulen Barbesitzer, der wiederum beobachtet hat, wie Thomas Kretschmann seiner neuen Modelfreundin eine kleine, allenfalls ein paar Karat wiegende Aufmerksamkeit in einer Roloff-Tüte überreichte.
    Ich meine, ich könnte ihm natürlich schon sagen, dass wir zu einem der hipsten Goldschmiede im Großraum Berlin gehen, aber ich weiß genau, was ich mir dann wieder anhören darf: »Nicht so ein Theater, Liebste, wir brauchen doch keine Designer-Ringe, wir wollen doch alles ganz schlicht!«
    Was Georg einfach nicht kapieren will, ist, dass »ganz schlicht« gar nicht so einfach ist. Wer einmal gesehen hat, mit was für Karten dieses Land zur Hochzeit lädt, kann sich ungefähr vorstellen, wie die Ringe in deutschen Juwelierläden aussehen.
    Die aktuellen Trauring-Trends heißen bicolor (z. B. Rotgold und Weißgold, die Pommes-Schranke unter den Ringen) und tricolor (Gelbgold, Weißgold und Rotgold, mehr was für den Pizza-mit-allem-Typen). Es gibt Ringe mit Trennfugen, Randfugen, Farbfugen und Inlays, Halb-Halb-Ringe, Ringe mit Farbscheiben, drehbarem Innenteil und allen anderen denkbaren Spoilern. Naturverbundene Paare können zwischen Tigermuster, Lotoskolben und Fischwirbelprägung wählen. Besonders beliebt sind Modelle mit Außengravur: »Amor vicit omnia«, »Gestern Heutefür immer Dein«, »Ein Leben lang an deiner Hand« oder, besonders schwachsinnig: »ich. du. wir … zusammen. gemeinsam«. Warum nicht gleich Motto-T-Shirts tauschen? Wer sich dann auch noch vorstellt, dass diese Modelle Duisburg, Bruchsal, Kerpen oder Rastatt heißen … Orte, an denen man nicht mal auf der Umgehungsstraße vorbeifahren will!
    Aber am befremdlichsten finde ich, dass die Braut von heute völlig selbstverständlich einen Trauring mit Brilli kriegt. Meine Eltern hatten schlichte Goldringe, meine Großeltern hatten schlichte Goldringe, sogar die alten Ägypter hatten schlichte Goldringe; und schon immer war die Regel, ja, der Witz an der ganzen Sache, dass es zwei gleiche Ringe sind. Aber seit ein paar Jahren verkauft die Juwelen-Mafia der Braut noch einen Diamanten mit – wer einmal die Diamond Row in New York entlanggelaufen ist, weiß doch, dass die Coca-Cola-Bosse, die den Weihnachtsmann erfunden haben, im Vergleich zu diesen schmierigen Typen harmlose Schuljungs sind!
    Doch am allerallerallerschlimmsten ist, dass jeder denkt, er müsste den ganzen Irrsinn mitmachen. Sogar dann, wenn er sich gar keinen Diamanten leisten kann. Dann hat man die Wahl, mit einem Swarovski-Kristall darüber hinwegzutäuschen oder einen Diamanten einzusetzen, der so klein ist, dass der Händler die Karat-Zahl gar nicht erst nennt und man ihn auf den ersten Blick für einen Verarbeitungsfehler hält.
    Als ich bei Carl Roloff angerufen habe, um einen Termin für heute Mittag zu vereinbaren, hat er bloß gesagt: »Du solltest nur wissen, dass ich ausschließlich schlichte Eheringe anfertige. Keine Schnörkel, kein bicolor.« In dem Augenblick habe ich eine Becker-Faust gemacht und so cool wie möglich gesagt: »Davon bin ich ausgegangen.«
    Fast wären wir an dem Geschäft vorbeigelaufen, so wenig sieht es nach Juwelierladen aus. Im Schaufenster liegt kein einziges Schmuckstück, nur eine kleine Visitenkarte aus Büttenpapier, die auf ein Samtkissen gebettet ist. Plötzlich durchzuckt mich zum ersten Mal ein Gedanke, den ich nicht gerne denke und der mit Geld zu tun hat. Georg hingegen scheint ganz ruhig zu sein.
    » Das ist der Laden, in den du willst?«, fragt er.
    Ich nicke.
    »Bist du sicher, dass hier Schmuck verkauft wird?«
    »Natürlich!«
    »Warum gehst du dann nicht rein?«
    Tatsächlich stehen wir jetzt schon viel zu lange vor dem Geschäft, aber irgendwie kann ich mich nicht überwinden, die

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