Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
Vom Netzwerk:
wir da vorne anhalten? Ich muss mir unbedingt mal die Hände waschen«, sage ich und zeige auf das Schild am Straßenrand, das eine Raststätte ankündigt.
    » Muss das sein?«, schimpft Georg. »Wir sind eh schon viel zu spät dran!«
    »Ja, aber wir sind so spät dran, dass es auf die zehn Minuten auch nicht mehr ankommt. Außerdem musst du tanken«, sage ich und nicke in Richtung der Anzeige.
    »Wann ich tanken muss, entscheide ich«, sagt Georg. Kurz darauf sehe ich die Raststätte vorüberziehen.
    Die Uhr auf meinem Handy zeigt 18:34 Uhr. Ich habe Frau Kronfeld von Bismarck vom Gutshof heute Morgen noch angewiesen, unseren Eltern bei ihrer Ankunft ein Glas Sekt zu servieren, zum Lockermachen, denn meine Angst vor der ersten Begegnung zwischen Mama Michalski und Mama Link hat sich über Nacht noch einmal verzehnfacht. Vermutlich haben jetzt alle schon einen Schwips und nehmen gerade noch eine schnelle Dusche, bevor sie in die guten Schuhe schlüpfen und erfrischt zum Dinner spazieren. Georg und ich hingegen können froh sein, wenn wir es noch schaffen, unsere Koffer ins Hochzeitszimmer zu werfen, bevor wir verschwitzt und stinkend ins Restaurant stürzen, wo meine Eltern wahrscheinlich schon mit den Links an einem Tisch sitzen und ihnen mit frostiger Stimme erklären, warum ihre Tochter eigentlich zu gut zum Heiraten ist.
    18:36 Uhr.
    »Kannst du nicht schneller fahren?«, frage ich weinerlich.
    »Wie denn!«
    »Warum bist du so?«, frage ich.
    »Wie bin ich denn?«
    »So …« Mir fallen nur Worte ein, von denen ich selbst jetzt noch spüre, dass sie in dieser Situation ein klein wenig, äh, unpassend wären. Arschig? Grob? Borniert? Ich durchsuche mein Hirn nach etwas Höflicherem, aber als mir endlich »angespannt« einfällt, stockt der Wagen plötzlich. Wir werden immer langsamer, der Motor spuckt und schluckt, wir werden noch langsamer, Georg blinkt erschrocken nach rechts, und wir rollen auf dem Standstreifen aus. Spuck, schluck, dann ist alles still.
    Oh no.
    Georg versucht, noch einmal den Motor zu starten. Asthmatisches Keuchen. Er versucht es noch einmal. Nichts. Der dritte Versuch: Nada. Er schaltet den Warnblinker an, legt die Hände in den Schoß und starrt geradeaus. Er starrt und starrt. Dann haut er mit beiden Fäusten auf die Hupe und brüllt:
    »Scheiße!«
    Oha. Wenn Georg sich hilflos fühlt, kann es schon mal vorkommen, dass er ein bisschen aggressiv wird, aber so laut war seine Stimme nicht mehr, seit er mir davon erzählt hat, wie »diese Arschlöcher von Bayern« damals in der vierten Minute der Nachspielzeit die Schalker »Meister der Herzen« ins Unglück stürzten. Damals habe ich vor Schreck das Zimmer verlassen. Auch jetzt wäre mir danach, einfach aus dem Wagen zu steigen und zu Fuß nach Klein Schönhagen zu laufen. Aber der Standstreifen der überfüllten A 24 ist nicht der richtige Ort für eine Szene. Der Standstreifen der überfüllten A 24 ist nicht einmal der richtige Ort für einen schnippischen Kommentar zum Thema Tanken.
    »Und jetzt?«, frage ich zaghaft.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
    Ich weiß, dass wir beide dasselbe denken: Wir haben den Kanister mit dem Ersatzbenzin aus dem Kofferraum genommen, weil sonst die Kartons mit den Erste-Hilfe-Sets keinen Platz gehabt hätten. Außerdem hatte ich Angst, mein Kleid könnte anfangen, nach Benzin zu stinken. Und keiner von uns ist Mitglied im ADAC. Wir sind nirgendwo Mitglied, weil wir beide finden, dass Vereinsmeierei uncool und spießig ist. Super. Jetzt müssen wir nur noch aussteigen und uns wie für eine Gauloises-Reklame an unseren Kombi lehnen und ganz cool und unspießig darauf warten, dass irgendwas passiert.
    Gleich nach den Flitterwochen trete ich dem ADAC bei. Und dem Deutschen Journalistenverband. Und dem Mieterschutzbund auch.
    »Vielleicht kann uns mein Vater seinen Kanister bringen, er hat immer einen im Kofferraum«, schlage ich zögerlich vor. Mein Vater hat mich schon aus ganz anderen Situationen gerettet, zum Beispiel, als ich mit fünfzehn einmal sturzbetrunken in der letzten Straßenbahn eingeschlafen bin und erst im Depot wieder aufwachte. Er hat sich im Schlafanzug in sein Auto gesetzt und mich abgeholt und kein Wort über meinen Zustand verloren. Dafür liebe ich ihn noch heute.
    »Dein Vater braucht mindestens eine Stunde hierher! Wir haben noch mehr als hundert Kilometer!«
    Herr im Himmel, manchmal habe ich wirklich das Gefühl, dass Georg, wenn er erst einmal schlechte Laune hat, auch gar

Weitere Kostenlose Bücher