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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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bisschen, und ich bekomme kaum noch Luft, als Georg meine Hand nimmt.
    Ich versuche, mich zusammenzureißen, was mir nicht gelingt. Um nicht in hysterisches Schluchzen auszubrechen, knie auch ich mich hin.
    Wir knien zwischen unseren Koffern, auf einem nächtlichen Parkplatz in der mecklenburgischen Provinz, und nur eine schummrige Laterne beleuchtet die Szene.
    »Liebe Lotte, heiratest du mich, auch wenn ich so bin, wie ich bin?«
    »Aber natürlich! Wie kannst du nur so was fragen!«, stammle ich und umarme ihn. Er hält mich ganz fest, und ich schwöre mir, dass ich nie, nie, nie wieder an unserer Beziehung zweifeln werde.
    »Ich brauch dich doch, Lotte. Und am allermeisten dann, wenn ich deine Liebe eigentlich gerade gar nicht verdiene. Wir …«
    »Scheiße!«
    Georg und ich schrecken hoch, die Stimme kam aus der Ferne, aber ich habe sie sofort erkannt.
    »Das war mein Vater«, sage ich und ahne nichts Gutes.
    Über den Parkplatz schallt ein Fluchen, dann kommt eine zweite Stimme hinzu.
    »Und das war meiner«, sagt Georg.
    Wir schnappen uns unser Gepäck und folgen den Stimmen, aber ich kann nichts erkennen, denn sie kommen aus der Düsternis hinter dem Gutshof, dorther, wo eigentlich nur Gebüsch ist und weiter hinten die Pferdekoppel beginnt.
    »Papa?«, rufe ich.
    Keine Antwort.
    »Papa?«, ruft Georg.
    Endlich hören wir Schritte. Aus der Dunkelheit wankt mein Vater ins Licht, humpelnd und auf die Schultern von Georgs Vater gestützt. Er hat Schrammen im Gesicht und blutet aus einer Wunde auf der Stirn. Er sieht aus, als hätte er sich mit den Klitschkos angelegt, und zwar mit beiden gleichzeitig.
    »Papa, was ist passiert?«
    Eigentlich will ich es gar nicht genauer wissen. Mein Vater betrinkt sich nicht oft, aber wenn er es tut, dann richtig. Und meistens passiert auch etwas. Einmal fand ihn meine Mutter nach irgendeinem Firmenjubiläum schlafend im Vorgarten, mitten im Blumenbeet. Er hatte die paar Meter vom Taxi zur Haustür einfach nicht geschafft.
    »Hingefallen …«, lallt Georgs Vater. »Loch … Büsch.«
    »Aber was habt ihr denn dahinten gemacht?«, frage ich atemlos.
    »Spasss…siergang«, sagt mein Vater und kippt fast vornüber, als er das Wort ausspricht.
    »Mitten in der Nacht? Wo ist Mama?«
    »Bett«, sagt er und schwankt wie ein Kreisel, der die letzten Runden dreht.
    »Wir müssen dich verarzten!«
    »Bett.«
    Ich nehme meinen Vater am Arm, er ergibt sich, lässt dabei aber Georgs Vater los und verliert das Gleichgewicht. Wie ein Sack Kohle fällt er zu Boden. Er ist so schwer, dass ich keine Chance habe, ihn zu halten, ich kann ja kaum einen Kasten Bier hochheben. Und als ich ihn wieder hochziehen will, macht er sich zusätzlich noch schwerer, als er ist.
    »Komm, Papa, hoch mit dir!«
    »Bett«, stammelt er.
    »Na, komm schon, Matthias, wir werden dich ins Bett bringen«, sagt Georg und hilft mir, ihn aufzurichten. Zum ersten Mal in meinem Leben glaube ich ihm, dass es keine Lüge ist, wenn er mich in die Luft hebt und behauptet, ich sei überhaupt nicht schwer, kein bisschen, sondern leicht wie eine Feder im Wind. Gemeinsam schleifen wir Papa in die Eingangshalle des Gutshofs, wo uns sofort Frau Kronfeldvon Bismarck zur Hilfe eilt. Sie holt Jodsalbe, Pflaster und ein sauberes Tuch und hilft uns, nachdem wir die Wunden in seinem Gesicht notdürftig versorgt haben, ihn auf sein Zimmer zu bringen, wo meine Mutter bereits im Bett liegt und leise schnarcht. Sie seufzt nur, als wir ihn zu ihr legen, und dreht sich auf die andere Seite. Ich ziehe meinem Vater die Decke über den Körper und wünsche ihm leise eine gute Nacht.
    »Bett«, murmelt er, dann schläft er ein.
    »Himmel«, sage ich, als wir wieder im Foyer stehen. »Ich hab ja wirklich gehofft, dass sich unsere Eltern mögen. Aber dass sie sich gleich so gut verstehen müssen …«
    »Gut, dass wir nicht dabei waren. Stell dir mal vor, wir hätten mitgetrunken! Wer weiß, wie es uns jetzt ginge!«
    »O Gott, sei still, ich krieg schon beim Gedanken daran Kopfweh«, sage ich. Dann fällt mir etwas anderes ein. »Wo ist eigentlich dein Vater?«
    Georg sieht mich an, ich sehe ihn an, dann laufen wir aus dem Haus und zu der Stelle, wo wir vorhin unser Gepäck stehen ließen.
    »Papa?«
    »Rudi?«
    Wir bekommen keine Antwort. Papa Link liegt rücklings im Gras und schnarcht wie ein Sägewerk.

[Menü]
    Noch sieben Stunden …
    Ich schrecke auf. Mein Herz rast. Im Traum bin ich über die Schleppe meines Brautkleids gestolpert, direkt

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