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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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davon überzeugt, dass alles gut wird.
    »Du musst mich aber stützen«, sagt er, greift meine Hand fester und wischt sich mit der anderen über die Stirn. »Ich hab immer noch vier Promille Restalkohol im Blut. Mindestens.«
    Die Lahme und der Lahme. Na toll.
    »Wir schaffen das schon«, sage ich mit einer Stimme, in der wenig Zuversicht liegt, und tätschle ihm die Pfote.
    »Na komm, lass uns zurückgehen.«
    »Ja, gehen wir.«
    Mein Vater hakt sich bei mir unter, er schwankt tatsächlich ein bisschen, und jetzt, da wir ins Sonnenlicht treten, sehe ich den Schweiß auf seiner Stirn. Wir laufen bis zum Parkplatz, wo er sich entschuldigt und zu seinem Wagen schlurft. Ich habe keine Ahnung, was er da will. Er ist so bleich im Gesicht, dass ich michein bisschen um ihn sorge, aber weil er sich nichts anmerken lässt, tue auch ich so, als sei überhaupt nichts Ungewöhnliches daran, in aller Herrgottsfrühe in Schlafanzug und Badelatschen zu seinem Wagen zu gehen.
    »Bis später, Papa!«
    Papa winkt, ohne sich umzudrehen.
    Als ich zurück in unser Zimmer schleiche, schnarcht Georg noch immer. Ich setze mich auf die Bettkante und säusele ihm ins Ohr:
    »Guten Morgen, lieber Bräutigam!«
    Georg quengelt leise und dreht sich um. Ich hocke mich breitbeinig auf ihn und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn.
    »Aufstehen, Schatz! Wir heiraten heute!«
    »Noch fünf Minuten«, wimmert er und zieht sich das Kissen übers Gesicht.
    »Aber Schatz!«, rufe ich, »es ist schon …«, ich grapsche mir sein Handy vom Nachttisch und sehe auf die Uhr. »Es ist schon sieben!«
    Ich nehme ihm das Kissen weg, und er blinzelt mir entgegen.
    »Dann ist die Trauung doch erst in fünf Stunden. Wir können noch mindestens drei Stunden schlafen«, sagt er und versucht, sich unter der Bettdecke zu verkriechen.
    »Ja, aber …«, sage ich trotzig.
    Seufzend schlägt er die Decke um. Dann sagt er: »Komm her«, und zieht mich an sich. Ich lege mich neben ihn, inJeans und Kapuzenpulli, so, wie ich bin. Mit einem Mal bin auch ich sehr müde. Georgs Atem fängt wieder ruhig an zu fließen, und ich … Schon wieder schwappt der See gegen das Ufer … leise … ein Vöglein zwitschert …

    »Oh Gott!«, quietsche ich und greife nach meinem Handy. »Ohgottohgottohgott!«
    »Was ist?«, fragt Georg.
    »Wir haben verschlafen! Es ist kurz nach elf!«
    »Was?« Georg ist schlagartig wach und springt aus dem Bett. »Elf? Dieses blöde Handy! Wieso hat denn der Wecker nicht geklingelt? Ohgottohgottohgott!«
    Hysterisch wie eine Travestiekünstlerin, der der Nagel abgebrochen ist, läuft er durchs Zimmer. Erst ins Bad, dann zurück zum Bett, dann zum Kleiderschrank und wieder ins Bad. Ich sitze noch auf der Bettkante und wundere mich über ihn, da klopft es plötzlich an der Tür. Ich öffne und vor mir steht meine Mutter, mit zerzausten Haaren, offenem Bademantel und Augenringen so dunkel wie der Canal Grande bei Nacht. Sie hat einen ganz schlimmen Kater, das ist nicht zu übersehen.
    »Hallo, Lotte. Ich hab verschlafen!«, sagt sie mit tonloser Stimme.
    »Wir auch, denk dir nichts!«, sage ich und fange an, auf der Stelle zu trippeln. Immer, wenn meine Mutter nicht kapiert, dass ich gerade im Stress bin, werde ich erst so richtig nervös.
    »Weißt du, wo dein Vater ist?«, sagt sie mit schwacher Stimme. Plötzlich fällt mir ein, was das Problem ist, wenn meine Mutter einen Kater hat. Sie wird depressiv, und dann kann es jeden Augenblick passieren, dass sie aus heiteremHimmel zu weinen beginnt, einfach so, wie wenn man aus Versehen an den Hebel des Wasserhahns kommt.
    Das Letzte, was ich jetzt brauchen kann, ist eine heulende Mutter.
    »Keine Ahnung«, sage ich und tripple noch schneller, »wahrscheinlich ist er schon beim Frühstück. Weißt du was, Mama, wir sind gerade ein klitzekleines bisschen nervös, wie wäre es, wenn du mal nachschaust, ob Georgs Eltern schon wach sind, nicht, dass die auch noch verschlafen haben!« Mit der einen Hand schiebe ich sie zurück auf den Flur, mit der anderen schließe ich die Tür.
    »Bis später, Mama, nicht böse sein, aber wir müssen uns echt mal fertig machen!«
    Die Tür fällt ins Schloss. Ich höre, wie sie den Gang hinunterschlurft, und bete, dass sie auf die Idee kommt, den Bademantel zu schließen, ehe sie bei den Links klopft.
    »Es sind schon ganz viele Leute da«, ruft Georg, der am Fenster steht und dabei versucht, seinen nackten Körper hinter der Gardine zu verstecken. Ich sehe ebenfalls hinaus, der

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