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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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in ein Loch im Boden, und das Bunte Bentheimer Landschwein war auch wieder da, nur, dass es diesmal wie ein Mops aussah, wie ein Mops mit dem Gesicht der blöden Schneiderin von vorgestern Abend. Ich setze mich auf und taste die Bettdecke ab, doch dann wird mir klar, dass es sich bei dem weißen Baumwollstoff ja gar nicht um mein Brautkleid handeln kann , denn das ist kurz und hängt an der Tür des Kleiderschranks. Zur Sicherheit blicke ich hinüber, ja, da hängt es, wie drapiert für eine Modestrecke in Modern Bride . Ich lege mich wieder hin und schließe, fest entschlossen, noch einmal einzuschlafen, die Augen. Aber daran ist nicht zu denken. Ich setze mich wieder auf, nehme mein Handy vom Nachttisch, es ist noch nicht einmal fünf Uhr. Ich bräuchte dringend noch eine Runde Schlaf, denn wenn ich weniger als sechs Stunden bekomme, graben sich mir Augenringe ins Gesicht, die nicht einmal der neue Abdeckstift mit lichtreflektierenden Pigmenten übertüncht, den ich mir extra für heute gekauft habe.
    Dummerweise ist es meinem Herzen völlig egal, wie es um meine Augenpartie bestellt ist. Es hört nicht auf zu pochen. Ich rolle mich auf die andere Seite. Georg liegt mit zufriedenem Gesicht neben mir auf dem Rücken und schnarcht friedlich.
    Normalerweise schießen mir, wenn ich aufgeregt bin,tausend Dinge durch den Kopf, aber jetzt bin ich so nervös, dass ich nicht einmal mehr denken kann. Immer mit der Ruhe, Charlotte, sage ich mir und lege mich wieder hin. Du heiratest nur, es kann gar nichts schiefgehen. Du liebst Georg, Georg liebt dich. Alle lieben dich. Das Wetter wird königlich werden, der Sekt ist kaltgestellt, nichts kann passieren.
    Aber jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, gehen sie automatisch wieder auf, so wie bei meiner alten Anziehpuppe, der ich, statt sie in die Mikrowelle zu stecken, die Haare geschnitten habe. Danach war sie so hässlich, dass ich nicht mehr mit ihr spielen wollte und versucht habe, sie hinter dem Gartenhäuschen zu verbrennen, was nicht funktioniert hat, weshalb ich sie aus Angst, meine Eltern könnten den angekokelten Kadaver in der Mülltonne finden, auf dem Schulweg in einem öffentlichen Abfalleimer deponiert habe.
    O nein, jetzt bekomme ich auch noch Schuldgefühle.
    Ich wälze mich wieder auf die andere Seite, was für Georg das Signal ist, sich schmatzend zu mir umzudrehen. Er legt mir eine Hand auf die Hüfte, grummelt etwas und schnarcht weiter. Um ihn nicht zu wecken, atme ich ganz flach, starre mit weit aufgerissenen Augen mein Hochzeitskleid an der Schranktür an und versuche, mich halbwegs abzuregen.
    Wir haben die Ringe, wir haben unsere Ausweise, Lala und Christian haben versprochen, pünktlich zu sein. Lala hat sogar ein Tischschmuck-Komitee gegründet. Um den Sektempfang und das Buffet müssen wir uns nicht kümmern, das hat Frau Kronfeld von Bismarck gestern Abend extra noch mal betont. Es. Kann. Gar. Nichts. Passieren!
    Jetzt, wo ich still liege, fängt mein ganzer Körper an zu kribbeln. Ich versuche, es auszuhalten, was nicht funktioniert.Ich nehme Georgs Arm und lege ihn sanft zur Seite, Georg schmatzt, dreht sich wieder auf den Rücken und … Chrrrr…
    Zwei Minuten später bin ich in Jeans und Kapuzenpulli geschlüpft und schleiche in Turnschuhen die Treppe hinunter.
    Ich trete ins Freie, die Luft ist kühl. Es dämmert noch, und ich merke, wie müde ich in Wirklichkeit noch bin. Alles schläft, nur ein paar Vögel zwitschern. Ich gähne und gehe den Kiesweg entlang, der vom Gutshaus zur Scheune führt, bleibe vor dem großen Holztor stehen, sehe zum Dach hinauf und zünde mir eine Zigarette an. Heute Mittag sollen es 26,2 Grad werden, das war zumindest der letzte Stand beim meteorologischen Dienst, und heute Abend werden hier hundert Menschen in Sommerkleidung trinken und uns feiern und sich amüsieren. Georg und ich werden lachen und uns lieben und glücklich sein, das weiß ich ganz sicher. Trotzdem werde ich die Nervosität nicht los. Ich atme aus und wieder ein, nehme noch einen Zug von der Zigarette. Eine quengelige, kleine Stimme meldet sich bei mir: Was, wenn du über Nacht zugenommen hast und dir das Brautkleid plötzlich doch nicht mehr passt? Ich versuche zu kontern: Ich habe gestern keinen Bissen gegessen, ich kann gar nicht dicker geworden sein. Jahaa , erwidert die Stimme, schau dir doch mal die Kinder in Afrika an – was, wenn du vor lauter Hunger einen Kugelbauch kriegst? Von dem bisschen Fasten wird man nicht krank, erwidere ich,

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