Heiratsmarkt
Plötzlich fand Ihre Gnaden eine Lösung des Problems. Ein Blick auf Lady Buxted bestätigte es: Er hatte seinen wunderschönen Schützling zu diesem Ball eingeladen, um Louisa zu strafen! Zweifellos hatte sie ihn bis aufs Blut gequält, einen Ball für dieses hässliche Mädchen, ihre Tochter, zu geben, und das war seine Rache - Teufel, der er war! Nicht, dass Louisa sie nicht verdient hätte, dachte Lady Jersey, denn sie stellte zwar unaufhörlich Ansprüche an Alverstoke, doch lag ihr kein Deut an ihm. Genauso verhielt es sich bei Lucretia: Sie trug ein süßes, wehmütiges Lächeln zur Schau, aber sie musste genauso wütend wie Louisa sein, vielleicht noch wütender. Denn nicht allein, dass sie ihre Tochter in den Schatten gestellt sah - sie musste überdies mit ansehen, wie ihr geliebter Endymion gleich einem Mondkalb Charis anstarrte.
Dann waren auch noch die Parracombes da - vielmehr Mrs. Parracombe, denn es wäre albern gewesen anzunehmen, dass sich ihr reicher, aber schafsköpfiger Gatte um irgendetwas anderes als um sein Dinner und seinen Rennstall bekümmerte. Was hatte, fragte sich Lady Jersey, Alverstokc wohl gereizt, diese Dame zu seiner Dinner-Gesellschaft einzuladen? Sein Name war in den letzten Monaten mit dem Carolines ziemlich eng in Verbindung gebracht worden, seit Neuestem hatte man ihn jedoch nicht mehr so häufig in ihrer Gesellschaft gesehen.
Dem Urteil Ihrer Gnaden nach war Mrs. Parracombe zu launenhaft und viel zu besitzergreifend. Hatte Alverstoke sie zu dieser Gesellschaft, die so offenkundig zu Ehren seiner Mündel gegeben wurde, in der Absicht gebeten, sie stillschweigend zu informieren, dass ihre Amtszeit vorüber sei? Dazu war er durchaus imstande, der elende Kerl! Die arme Caroline! - Doch sie hätte schon klüger sein müssen, als zu glauben, sie könne mit einem Alverstoke Katz und Maus spielen! Ihn gefesselt zu haben, war sicherlich ein Triumph. Hingegen anzunehmen, dass sie ihn gefangen halten und dabei gleichzeitig ihre Gunst zwischen ihm und ihren anderen Cicisbeos teilen konnte, war eine große Dummheit: Seine Neigungen waren noch nie so tief gewesen, dass er ihretwegen den Wunsch gehegt hätte, seine Rivalen auszustechen.
Wenn die Dame, die er mit seiner - flüchtigen - Liebe zu beehren beliebte, die Aufmerksamkeit anderer Verehrer ermutigte, verließ er sie mit einem bloßen Achselzucken. Denn so wenig ihm auch an einer Affäre gelegen sein mochte - teilen war nicht seine Sache. Sah man seine Flirts - um es nicht als mehr zu bezeichnen - in Begleitung anderer Männer, dann deshalb, vermutete Lady Jersey, weil sie anfingen, ihn zu langweilen und er sie daher vernachlässigte.
Mrs. Parracombe hatte ihn schon vor einigen Monaten zu langweilen begonnen. Sie war schön, unterhaltend und klug genug, um etwas - aber nie ganz - gegen die Moral zu verstoßen. Er hatte in ihr eine hochgeborene Dame mit der Seele einer Kurtisane erkannt und daher seine diskrete Verbindung mit ihr genossen, solange seine Leidenschaft für sie andauerte. Das war jedoch nicht sehr lange gewesen. Als eine üppige Schöne hatte sie zwar sein Verlangen, nicht aber einen Funken Liebe in seinem kalten Herzen geweckt.
Das wusste sie; und da auch ihr Liebe oder Zärtlichkeit fremd war, zuckte sie die Achseln, so gleichgültig sie konnte. Sie war klug genug, sehen zu lassen, dass sie es war, die seiner müde geworden war, bevor die Gesellschaft sein schwindendes Interesse bemerkte. Da sie aber nicht ganz die Klugheit der Lady Jersey besaß, zweifelte sie nicht daran, dass die schöne Miss Charis Merriville Alverstokes neueste Angebetete sei. Sie ertrug jedoch die Vorstellung mit lächelndem Gleichmut und murmelte ihm nur in einem passenden Augenblick zu: „Vorsicht, teurer Freund!
Wenn Männer deines Alters eine Schwäche für Schulmädchen entwickeln, hält man das für ein Zeichen von Senilität."
„Ich werde mich vorsehen", versprach er und erwiderte Lächeln mit Lächeln.
Charles Trevor hatte den Marquis gewarnt, dass es Endymion vielleicht nicht freuen würde, seine Base Jane zur Tischdame zu haben. Er erkannte aber bald, dass nicht Endymion, sondern Jane die Leidtragende war. Trevor und Charis saßen den beiden Verwandten direkt gegenüber, und Endymion, entweder verwirrt oder mit dem Gefühl, dass er Jane keine besondere Höflichkeit schuldete, verbrachte den größten Teil der Zeit damit, über den Tisch hinweg hingerissen auf die schöne Vision vor sich zu starren. Der Reiz Charis' bestand nicht
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